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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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sein, hatte ein zusätzliches Handikap für die junge Frau bedeutet, die bereits durch ihre reaktionär klingende Stimme vorbelastet war. Jetzt, warm im Bett, eine Schloss herrin auf Zeit, befreite Pamela Chamcha sich von diesem alten Dämon, lebwohl, Häng-sie, ich hab’ keine Zeit mehr für dich; und von den Geistern ihrer Eltern; und machte sich daran, auch den jüngsten Geist loszuwerden.
    Pamela schlürfte Cognac, sah sich Vampire im Fernsehen an und gönnte es sich, sich wohl zu fühlen. Hatte sie sich denn nicht nach ihrem eigenen Bilde erschaffen? Ich bin, die ich bin, toastete sie sich mit Napoleon-Weinbrand zu. Ich arbeite im Amt für multikulturelle Angelegenheiten, Bezirk Brickhall, in London NE 1. Ich bin Beauftragte für Einwandererberatung und verdammt gut in diesem Job, wennichdasmalsagendarf. Prost!
    Wir haben gerade erstmals einen Schwarzen zum Vorsitzenden gewählt, und alle Gegenstimmen kamen von Weißen. Zum Wohl! Letzte Woche wurde ein angesehener asiatischer Straßenhändler, für den sich Parlamentarier aller Parteien stark gemacht hatten, nach achtzehnjährigem Aufenthalt in Großbritannien des Landes verwiesen, weil er vor fünfzehn Jahren ein ganz bestimmtes Formular achtundvierzig Stunden zu spät abgeschickt hatte. Chin-chin! Nächste Woche werden ein paar Polizisten im Gericht von Brickhall versuchen, eine fünfzigjährige Nigerianerin, die sie vor kurzem bewusstlos geprügelt haben, reinzureißen und sie der Körperverletzung zu beschuldigen. Skol! Das ist mein Kopf: siehst du? Das nenn’ ich meinen Job: mit dem Kopf gegen Brickhall anrennen.
    Saladin war tot, und sie war am Leben.
    Darauf trank sie. Es gibt ein paar Dinge, die ich dir noch erzählen wollte, Saladin, ein paar wichtige Dinge: die Geschichte von dem neuen Hochhaus in der Brickhall High Street, gegenüber von McDonald’s; laut Plan sollte das Gebäude absolut schallisoliert sein, aber die Leute, die darin arbeiten, machte die Stille so verrückt, dass sie jetzt Tonbänder mit weißem Rauschen über Lautspieler abspielen. - Das hätte dir gefallen, was? - Und die Sache mit der Parsi-Frau, einer Bekannten von mir, Bapsy heißt sie, die hat eine Weile in Deutschland gelebt und sich in einen Türken verliebt. Ihr Problem ist, dass ihre einzige gemeinsame Sprache Deutsch war, jetzt hat Bapsy fast alles vergessen, was sie wusste , während er immer besser wird, er schreibt höchst poetische Briefe, auf die sie gerade noch mit Kinderreimen antworten kann. Die Liebe stirbt, wegen sprachlicher Ungleichheiten, was hältst du davon? - Die Liebe stirbt. Das ist ein Thema für uns, was? Saladin? Was meinst Du?
    Und ein paar klitzekleine Dinge. Zwischen unseren Blumenbeeten läuft ein Mörder frei herum; er hat sich auf den Mord an alten Frauen spezialisiert; also mach dir keine Sorgen, ich bin nicht in Gefahr. Da gibt’s genug, die älter sind als ich.
    Und noch eines: ich verlasse dich. Es ist aus. Wir sind fertig miteinander.
    Ich konnte dir nie etwas sagen, nicht wirklich, nicht einmal Kleinigkeiten. Wenn ich sagte, du hättest zugenommen, dann schriest du eine Stunde lang herum, als könnte dein Schreien das ändern, was du im Spiegel sahst, was das Kneifen an deinem Hosenbund dir verriet. In aller Öffentlichkeit fielst du mir ins Wort. Die Leute merkten, was du von mir hieltest. Ich verzieh dir, das war mein Fehler; ich konnte dein Innerstes sehen, diese Frage, die dir solche Angst einjagte, dass du es mit all der vorgetäuschten Selbstsicherheit schützen musstest .
    Diese Leere.
    Leb wohl, Saladin. Sie leerte ihr Glas und stellte es neben sich. Der Regen hatte wieder eingesetzt, klopfte an die Bleiglasfenster; sie zog die Vorhänge zu und löschte das Licht.
    Und während sie in den Schlaf sank, dachte sie an das, was sie ihrem toten Ehemann als letztes noch zu sagen hatte. »Im Bett«, kamen die Worte, »hast du dich nie für mich interessiert, für mein Vergnügen, für das, was ich brauchte. Nein.
    Schließlich kam ich darauf, dass du keine Geliebte wolltest; sondern ein Dienstmädchen.« Das war’s. Jetzt ruhe in Frieden.
    Sie träumte von ihm; sein Gesicht erfüllte den Traum. »Alles geht zu Ende«, erklärte er ihr. »Diese Zivil isation. Das Netz zieht sich zu. Was war das aber auch für eine Kultur; großartig und verderbt, kannibalisch und christlich, die Herrlichkeit auf Erden. Wir sollten sie feiern, solange wir können; bis die Nacht anbricht.«
    Sie stimmte ihm nicht zu, nicht einmal im Traum, aber sie wusste

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