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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Chamcha immer sagte. Eines Tages hatte Saladin Jumpy zum Narren gehalten, indem er ihn anrief, einen südländischen Akzent a uflegte und im Auftrag von Mrs. Jacqueline Kennedy Onassis die Dienste des Musikalischen Daumens auf der Insel Skorpios erbat, gegen ein Honorar von zehntausend Dollar zuzüglich freiem Transport nach Griechenland im Privatflugzeug für bis zu sechs Personen.
    Einem so unschuldigen und redlichen Menschen wie Jamshed Joshi so etwas anzutun, war wirklich grausam. »Ich brauche eine Stunde Bedenkzeit«, hatte er gesagt und war dann in seelische Agonie verfallen. Als Saladin eine Stunde später zurückrief und hörte, dass Jumpy Mrs. Onassis’ Angebot aus politischen Gründen ablehnte, begriff er, dass sein Freund dafür trainierte, ein Heiliger zu werden, und dass es keinen Sinn hatte, ihn weiter auf die Schippe zu nehmen. »Mrs. Onassis wird bestimmt im Herzen gebrochen sein«, hatte er zum Schluss gesagt, und Jumpy hatte bekümmert geantwortet: »Bitte richten Sie ihr aus, dass es nichts Persönliches ist, persönlich bewundere ich sie nämlich sehr.«
    Wir kennen einander alle zu lang, dachte Pamela, als Jumpy ging. Wir können einander mit Erinnerungen verletzen, die zwei Jahrzehnte alt sind.
     
    Beim Thema Stimmen und Missverständnisse , dachte sie, als sie an diesem Nachmittag in ihrem Sportwagen, einem alten MG Hardtop, viel zu schnell über die M 4 brauste - ein
    »ideologisch ziemlich inkorrektes« Vergnügen, wie sie selbst fröhlich zugab -, bei dem Thema sollte ich wirklich toleranter sein.
    Pamela Chamcha, geborene Lovelace, besaß eine Stimme, die zu kompensieren in gewisser Weise ihre Lebensaufgabe war. Es war eine Stimme, die sich aus Tweed und Kopftüchern zusammensetzte, aus Sommerpudding, Hockeystöcken, strohgedeckten Landhäusern, Lederseife, Haus-Partys, Nonnen, reservierten Kirchenbänken, großen Hunden und Banausentum, und trotz aller Versuche sie zu dämpfen, war sie so laut wie ein Betrunkener im Dinnerjacket , der im Club mit Brötchen um sich warf. Es war die Tragödie ihrer Jugend gewesen, dass ihr dank dieser Stimme die Gutsherren und die Partylöwen und die Londoner Jemands nachgestellt hatten, die Männer also, die sie aus vollem Herzen verabscheute, während die grün Angehauchten und Friedensmarschierer und Weltverbesserer, bei denen sie sich instinktiv daheim fühlte, sie mit tiefer Skepsis behandelten, die an Ablehnung grenzte. Wie hätte jemand, der bei jedem Wort, bei jeder Silbe nach Taugenichts klang, denn auch zu den Guten gehören können?
    Pamela Biss die Zähne zusammen, gab Gas, li eß Reading hinter sich. Einer der Gründe, warum sie - gib’s zu - beschlossen hatte, diese Ehe aufzulösen, bevor das Schicksal dies für sie tat, lag darin, dass sie eines Morgens aufgewacht war und gewusst hatte, dass Chamcha nicht in sie verliebt war, sondern in diese Stimme, die nach Yorkshirepudding und Eichenkernholz stank, diese joviale, rosige Stimme des guten alten Traum-Englands, in dem er so schrecklich gern gelebt hätte. Es war eine Ehe gewesen, in der sich die Ziele kreuzten wie zwei Züge, in der jeder auf das losraste, wovor der andere gerade floh.
    Keine Überlebenden. Und dann, mitten in der Nacht, Jumpy der Spinner und sein idiotischer falscher Alarm. Das hatte sie so aufgewühlt, dass sie noch nicht einmal dazu gekommen war, sich von der Tatsache aufwühlen zu lassen, dass sie mit Jumpy ins Bett gegangen war und mit ihm geschlafen hatte und zwar - gib’s zu -auf eine ziemlich befriedigende Art und Weise, verschon mich mit deiner Nonchalance, wies sie sich zurecht, wann hast du das letzte Mal so viel Spaß gehabt. Sie hatte sich um eine Menge Dinge zu kümmern, und sie kümmerte sich darum, indem sie davonlief, so schnell sie konnte. Ein paar Tage Selbstverwöhnung in einem teuren Landgasthof, und die Welt, die ihr jetzt wie die reinste Hölle erschien, würde wieder freundlicher aussehen. Therapie durch Luxus: jajaja, räumte sie ein, ich weiß: meine Klasse bricht mal wieder durch.
    Verdammte Scheiße, da kannst du mal sehen. Wenn du irgendwas dagegen hast, dann schieb’s dir in den Arsch.
    Hintern. Arsch.
    Mit hundert Meilen pro Stunde vorbei an Swindon, und das Wetter wurde schlecht. Plötzlich dunkle Wolken, Blitze, starker Regen; sie hielt den Fuß weiter auf dem Gaspedal. Keine Überlebenden. Immer starben ihr die Leute weg, immer blieb sie zurück, mit einem Mund voller Worte, aber ohne einen Menschen, dem sie sie ins Gesicht schleudern

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