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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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auch der Mensch als Individuum«, er brach ab und rannte los, um einen Acht-Personen-Tisch herum, und Jumpy hinterher, zornesrot, mit rudernden Armen. »Und in unseren Leibern, strömt da nicht auch der Fluss aus Blut?« Wie der Römer, lautete ein Satz des frettchenhaften Enoch Powell, scheine auch ich den Tiber vom vielen Blut schäumen zu sehen. Fordere die Metapher zurück, hatte Jumpy Joshi sich gesagt. Dreh sie herum, mach etwas daraus, das wir nutzen können. »Das ist Vergewaltigung«, protestierte er. »Um Gottes willen, Hanif, hör auf.«
    »Stimmen, die man hört, kommen von außen, aber«, dachte der Café besitzer laut nach. »Die Jungfrau von Orleans, na.
    Oder dieser wie-heißt-er-noch mit der Katze: Whittington, Bürgermeister von London. Aber mit solchen Stimmen kann man nur berühmt werden oder zumindest reich. Dieser hier ist aber nicht berühmt und arm.«
    »Genug.« Jumpy hielt beide Hände über dem Kopf und grinste, obgleich er das eigentlich nicht wollte. »Ich geb’ auf.«
    Die nächsten drei Tage war Jumpy nicht ganz er selbst, trotz aller Bemühungen von Mr. Sufy an, Mrs. Sufyan, ihren Töchtern Mishal und Anahita und dem Anwalt Hanif Johnson. »Eher ein Hänger als ein Hüpfer«, wie Sufyan sagte. Er machte seine Arbeit in den Jugendclubs, den Büros der Film-Kooperative, der er angehörte, und in den Straßen, wo er Flugblätter verteilte, gewisse Zeitungen verkaufte, herumhing; aber sein Schritt war schwer, wenn er seiner Wege ging. Dann, am vierten Abend, klingelte das Telefon hinter der Theke des Café Shaandaar.
    »Mr. Jamshed Joshi«, trällerte Anahita Sufyan, den englischen Oberschicht-Akzent imitierend. »Würde Mr. Joshi bitte an den Apparat kommen? Ein Privatgespräch für Sie.«
    Ihr Vater sah mit einem Blick, welche Freude sich auf Jumpys Gesicht ausbreitete, und murmelte leise zu seiner Frau: »Misses, die Stimme, die dieser Junge hören möchte, ist ganz sicher keine innere.«
     
    Das Ding der Unmöglichkeit trat zwischen Pamela und Jamshed, nachdem sie sieben Tage damit verbracht hatten, sich der Liebe hinzugeben: mit unerschöpflicher Begeisterung, unendlicher Zärtlichkeit und solch geistiger Frische, dass man hätte denken können, der Vorgang wäre eben erst erfunden worden. Sieben Tage blieben sie unbekleidet, bei hochgedrehter Zentralheizung, und taten so, als wären sie ein Liebespaar in den Tropen, in irgendeinem heißen hellen Land des Südens. Jamshed, der sich bei Frauen immer ungeschickt angestellt hatte, erzählte Pamela, so wohl und glücklich habe er sich seit seinem achtzehnten Lebensjahr nicht mehr gefühlt, genauer gesagt, seit dem Tag, als er endlich Fahrradfahren lernte. Kaum waren diese Worte heraus, bekam er Angst, dass er alles verdorben hätte, dass der Vergleich zwischen der großen Liebe seines Lebens und dem klapprigen Fahrrad seiner Schülertage als die Beleidigung aufgefasst werden würde, die er unbestreitbar darstellte; aber er hätte sich nicht zu sorgen brauchen, denn Pamela küsste ihn auf den Mund und dankte ihm dafür, dass er ihr das Schönste gesagt habe, was ein Mann einer Frau überhaupt sagen könne. Und da begriff er, dass er nichts falsch mache n konnte, und zum ersten Mal in seinem Leben begann er, sich sicher zu fühlen, sicher wie ein Haus, sicher wie ein Mensch, der geliebt wird; und Pamela Chamcha erging es ebenso.
    In der siebten Nacht wurden sie durch ein unmissverständliches Geräusch aus dem Schlaf geweckt; es klang, als versuchte jemand, ins Haus einzubrechen. »Ich habe einen Hockeystock unter meinem Bett«, flüsterte Pamela entsetzt. »Gib ihn mir«, zischte Jumpy, der genauso erschrocken war. »Ich komme mit dir«, bibberte Pamela, und Jumpy stammelte: »O nein, das tust du nicht.« Am Ende schlichen beide nach unten, beide mit einem von Pamelas gerüschten Morgenmänteln bekleidet, beide mit einer Hand am Hockeystock, den zu benutzen beide sich nicht getraut hätten.
    Angenommen, es ist ein Mann mit einem Gewehr, dachte Pamela, ein Mann, der sagt, geh wieder nach oben… Sie kamen zum Fuß der Treppe. Jemand machte Licht an.
    Pamela und Jumpy schrien unisono, ließen den Hockeystock fallen und rannten nach oben, so schnell sie konnten; während unten im Flur, hell angestrahlt neben der Haustür aus Glas, die es eingeschlagen hatte, um den Knauf des Kastenschlosses drehen zu können (in der Hitze ihrer Leidenschaft hatte Pamela vergessen, die Sicherheitsschlösser vorzulegen), ein Geschöpf wie aus einem Alptraum

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