Die Satansbraut
getan, und du wirst es immer und immer wieder tun, weil du der Mann und somit der Stärkere bist, weil du mich zu allem zwingen kannst, was dir in den Sinn kommt, weil du Macht über mich hast.«
»Nun, wenn ich so allmächtig bin, sollte ich mich vielleicht als Gott proklamieren.« Er wollte durch die gespielte Nonchalance etwas Zeit zum Nachdenken gewinnen. Bei dieser Frau, seiner Ehefrau, würde er wohl sehr viel Zeit mit Nachdenken verbringen müssen.
Sie stemmte sich gegen ihn, konnte ihn aber nicht von der Stelle bewegen. Ihr leidenschaftlicher Wunsch, ihm zu entkommen, war unübersehbar und beängstigend. »Nein, Ryder, ich glaube dir nicht«, keuchte sie, »du wirst mich zwingen, wann immer dir danach zumute ist. Du belügst mich. Alle Männer lügen, um zu bekommen, was sie wollen.«
Er sprang aus dem Bett. »Mit der Zeit wirst du lernen, mir zu glauben und zu vertrauen.«
Sie zog sich hastig auf die andere Seite des Bettes zurück und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, an denen er ihre Angst vor ihm ablesen konnte, eine irrationale Angst, und in diesem Moment hätte er sie am liebsten aus dem Fenster geworfen.
Er überlegte, was er jetzt tun sollte, und beschloß, zunächst einmal ein Bad zu nehmen. Als er schließlich angekleidet das Schlafzimmer verließ, lag sie noch immer im Bett, die Decke bis zum Kinn hochgezogen.
»Heute nacht ist mir die Jungfräuliche Braut erschienen«, verkündete Sinjun beim Frühstück. »Wahrscheinlich wollte sie Sophie besuchen und hat sich im Schlafzimmer geirrt.« An ihre Schwägerin gewandt, fuhr sie fort: »Stell dir das nur mal vor — vielleicht besucht unser Familiengespenst dich demnächst. Sie wird dir nichts zuleide tun. Bestimmt will sie dich nur in der Sherbrooke-Familie willkommen heißen. Sie geistert schon ewig hier bei uns herum, und alle Grafen haben über sie geschrieben.«
»Hör auf mit dem dummen Gerede über dieses verdammte Gespenst«, sagte der jetzige Graf. »Sophie, es gibt keinen Geist. Unsere Range hat eine sehr blühende Phantasie, weiter nichts. Ignorier sie einfach.«
»Ein richtiges Gespenst? Ist das dein Ernst?« flüsterte Jeremy so leise, daß nur Sinjun ihn hören konnte. Er hatte nicht die Absicht, den Grafen zu verstimmen.
»Ja. Ich werde dir später alles erzählen, wenn wir reiten gehen.«
»Ich habe diese Jungfräuliche Braut noch nie gesehen«, sagte Ryder, während er die Kaffeetasse abstellte und sich seinem Ei zuwandte. Er zwinkerte seiner Frau zu. »Vielleicht wird sie uns ja wirklich einmal besuchen. Würde dir das gefallen?«
»Ein Gespenst? Ja, warum nicht. Wer ist sie?«
»Eine junge Dame, deren Ehemann getötet wurde, bevor sie die Ehe vollziehen konnten«, erzählte Ryder. »Im sechzehnten Jahrhundert, glaube ich. Sie hat langes hellblondes Haar und ist ansonsten ein Geist wie aus dem Märchenbuch oder Film, wie Sinjun zu berichten weiß. Offenbar erscheint sie nur den weiblichen Familienmitgliedern.«
Alex öffnete den Mund, schloß ihn aber wieder, ohne etwas gesagt zu haben.
»Wie schon gesagt — alle Grafen von Northcliffe haben über sie geschrieben«, fuhr Sinjun fort. »Nur Douglas ist ganz gemein und schwört, nie ein Wort über sie zu Papier zu bringen.«
Der Graf räusperte sich laut und warf seiner Frau einen strengen Blick zu. Alex schien aber vollauf damit beschäftigt, die Bücklinge auf ihrem Teller zu zerlegen, und so wandte er sich an die ganze Tischrunde: »Wir müssen einen Ball veranstalten, um Sophie unseren Nachbarn offiziell vorzustellen. Vorher wird Alex dich aber schon so peu ä peu mit den erlauchtesten Herrschaften bekannt machen, Sophie.«
»Kommen Tony und Melissande auch zum Ball?«
»Aber natürlich werden sie kommen, Sinjun«, sagte Alex und fuhr an Sophie gewandt fort: »Melissande ist meine Schwester. Sie ist unglaublich schön und hat Tony Parrish, Viscount Rathmore, geheiratet, Douglas' und Ryders Vetter ersten Grades. Du wirst dich mit den beiden bestimmt gut verstehen. Und vielleicht kann auch Tyson aus Oxford herkommen. Er ist der jüngste der drei Brüder und will Geistlicher werden.«
Die Grafenwitwe sagte scharf: »Sie kann unmöglich in Alex' abgelegten Kleidern auf einen Ball gehen, Douglas.«
»Ich bin ganz deiner Meinung, Mutter. Wir werden die Schneiderin aus Rye herkommen lassen. Du weißt schon, Alex, die auch dich ausgestattet hat.«
Lady Lydia stichelte unverdrossen weiter. »Ah, die liebe Melissande! Wie sehr habe ich sie mir als Schwiegertochter
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