Die Satansbraut
»Irgendwann muß ich doch alles über Männer und Frauen lernen, Sophie. In den Stücken führen sie sich ziemlich albern auf und tun die seltsamsten Dinge. Vieles verstehe ich einfach nicht.«
»Was diese seltsamen Dinge betrifft, stimme ich völlig mit dir überein«, sagte Sophie. Sie dachte an Ryder und konnte ihre eigenen Gefühle nicht richtig einschätzen. Schuldbewußtsein? Ärger? Sie wußte nur, daß sie ihn vermißte — seinen Witz und seine Unverschämtheit, sein Talent, sie bis zur Weißglut zu reizen. Ein Zug Jeremys riß sie aus ihren Gedanken.
»Oho, du willst wohl mein Mittelfeld niedertrampeln!« Sie zog mit einem Springer, ohne lange zu überlegen, und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »So, das müßte deine törichten Hoffnungen eigentlich zunichte machen.«
Jeremy spielte mit einem Turm herum. »Du bist nicht sehr glücklich, Sophie, stimmt's? Vermißt du Ryder? Ich vermisse ihn sehr. Er ist ein toller Schwager, und ich bin froh, daß du ihn geheiratet hast. Ich freue mich auch, daß wir Jamaika verlassen haben, denn schließlich sind wir ja Engländer. Aber trotzdem ist mir ein bißchen bange.« Er ließ den Turm los und zog statt dessen mit einem Läufer. »Glaubst du, daß seine Familie uns mögen wird?«
»Ich hoffe es sehr.« Auch sie sehnte sich nicht nach Jamaika zurück. Ihr war dort nur sehr wenig Glück beschieden gewesen.
»Warum sollten sie uns nicht mögen?« meinte Jeremy. »Wir sind ganz nett, und wir können bei Tisch korrekt mit Messer und Gabel umgehen. Du hättest den Zug mit dem Springer nicht machen sollen. Jetzt brauche ich nicht einmal mehr dein Mittelfeld niederzutrampeln. Schachmatt, Sophie.«
»Ich lern's wohl nie«, stöhnte sie laut.
Jetzt, in Sichtweite der englischen Küste, versuchte sie, alle düsteren Gedanken zu verdrängen. Sie hatte jeden Abend inbrünstig gebetet, daß Ryders mächtiger Bruder Douglas sie und Jeremy nicht einfach vor die Tür setzen würde. Andere Bitten waren ihr nicht eingefallen, weil sie sich überhaupt keine Vorstellung von der Zukunft machen konnte. Der Wind fegte ihr Haare in die Augen, und sie strich sie nervös zurück.
Sieben schier endlose Wochen. Nun waren sie faßt am Ziel. Wie lange es wohl dauern würde, bis auch Ryder zurückkam? Sie würde versuchen müssen, ihm eine gute Ehefrau zu sein, was immer man auch darunter verstehen mochte, doch daran wollte sie im Augenblick lieber nicht denken.
Jeremy winkte Ckancey zu, dem Dritten Offizier, einem heiteren jungen Mann, der Kinder liebte. »Wissen Sie«, hatte er Sophie zu Beginn der Reise erzählt, »ich bin eins von neun Bälgern gewesen, und meine Mutter hat uns ganz allein aufziehen müssen. Machen Sie sich um Jeremy mal keine Sorgen. Er is'n braver Bub, und ich paß schon gut auf, daß er nicht kopfüber ins Meer reinplumpst.«
Sophie mochte ihn auch deshalb, weil er nicht das geringste Interesse an ihr bekundete, im Gegensatz zu einigen anderen Seeleuten, die ihr allerdings auch nie zu nahekamen, weil der Kapitän ein ernstes Wort mit ihnen gesprochen hatte. »Als einzige Frau an Bord sollten Sie trotzdem vorsichtig sein«, hatte er ihr geraten, und sie hatte seinen Rat befolgt.
Southampton um acht Uhr morgens an einem regnerischen, nebeligen Tag war ein fremdartiger, ungemütlicher Ort. Karren und Wagen aller Größen wurden beladen und entladen, und es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. Der Erste Offizier begleitete Sophie und Jeremy zum Outrigger Inn und mietete für sie eine Kutsche mit zwei Vorreitern.
Ryder hatte offenbar ganz sichergehen und sich nicht auf Sophies Versprechen verlassen wollen. Notgedrungen lächelte sie Mr. Mattison zu und reichte ihm die Hand. »Vielen Dank. Sie waren sehr nett zu uns. Leben Sie wohl.«
Jeremy bettelte, neben dem Kutscher auf dem Bock sitzen zu dürfen, aber Sophie erklärte ihm, daß sich zuerst der Nebel auflösen und die Sonne hervorkommen müßte.
Das Wetter blieb grauenhaft, und Jeremy quengelte so lange, bis Sophie ihm trotzdem erlaubte, auf dem Kutschbock Platz zu nehmen. Das Mittagessen — Kabeljau und Erdbeeren — bekam Sophies Magen nicht, und als die Kutsche vier Stunden später in die lange, gewundene Auffahrt von Northcliffe Hall einbog, saßen die Geschwister im Nieselregen dicht aneinandergeschmiegt neben dem Kutscher, Jeremy in der Mitte. Sophie zitterte vor Kälte und hatte eine Gänsehaut auf den Armen.
»O Gott, Sophie, ist das groß!«
Sie schaute auf und schluckte. Northcliffe
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