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Die Satansbraut

Titel: Die Satansbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Hall war überwältigend, ein riesiges dreistöckiges Herrenhaus im Stil von Palladio. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß in diesem imposanten Bau ganz normale Menschen lebten. Die beiden Wächter, die sich fragten, wozu man sie eigentlich angeheuert hatte — Allmächtiger, das Mädchen hatte sich wie eine Dienstmagd auf den Kutschbock gesetzt! — ließen sich von Sophie bezahlen und galoppierten davon. Der Kutscher kratzte sich am Hinterkopf, schaute von Sophie zu Jeremy und wieder zurück und brummte: »Na, Fräulein, das ist jetzt der Ort, wo Sie hingewollt haben. Northcliffe Hall. Sind Sie auch ganz sicher, daß Sie hier wirklich richtig sind?«
    Sophie hätte am liebsten nein gesagt, doch statt dessen nickte sie, bezahlte den Mann und blickte gleich darauf fast sehnsüchtig der Kutsche nach. Jeremy und sie standen vor der breiten, hohen Freitreppe, ihre beiden armseligen Koffer neben sich auf dem Kies. Regen tropfte von Sophies Nasenspitze.
    Hätte sie mehr als die hundert Pfund besessen, die Ryder ihr gegeben hatte, so hätte sie auf der Stelle kehrtgemacht und wäre zu Fuß nach Fowey gelaufen. Sie wäre sogar bereit gewesen, Jeremy zu tragen, sobald er müde würde. Aber sie hatte wieder einmal keine Wahl, und während sie das auf der Westseite mit dichtem grünen Efeu bewachsene Herrenhaus anstarrte, fühlte sie sich einsamer als je zuvor in ihrem Leben. Jeremy zupfte sie schließlich am Ärmel.
    »Sophie, ich bin so naß wie eine Kanalratte. Laß uns doch reingehen.«
    Sie griff fröstelnd nach beiden Koffern und ging langsam die Marmorstufen hinauf. »Das mit der Kanalratte hört sich ganz nach einem Ausdruck von Clancey an. Die solltest du möglichst schnell wieder vergessen, Jeremy.«
    »Glaubst du, daß sie uns hierbleiben lassen?« flüsterte er mit ängstlich aufgerissenen Augen, als sie sich der riesigen zweiflügeligen Tür mit großen Löwenköpfen aus Messing als Türknöpfe näherten. Die Löwenmäuler hatten sogar Messingzähne.
    »Natürlich«, beruhigte Sophie ihn und sprach insgeheim ein weiteres inbrünstiges Gebet.
    Sie zog Jeremy aus dem kalten Nieselregen unter das Vordach und starrte den Klingelzug an. Es gab keine Hoffnung. Die armen Verwandten waren angekommen.
    Sie zog mit aller Kraft an der Klingelschnur und schrak in der nächsten Sekunde zusammen, denn das laute Klingeln schien im ganzen Haus widerzuhallen. Sie mußten nicht lange warten.
    Die Tür öffnete sich, ohne zu knarren oder zu quietschen. Ein Bediensteter in dunkelblauer und grüner Livree stand vor ihnen. Er war klein und schlank, ein älterer Mann mit genauso kahlem Schädel wie Kapitän Mallory. Zunächst musterte er sie wortlos, dann sagte er: »Würden Sie sich bitte zum Dienstboteneingang begeben?«
    »Nein.« Sophie brachte ein gequältes Lächeln zustande. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, welchen Eindruck sie beide machten.
    »Ich habe Sie auf dem Kutschbock sitzen sehen. Suchen Sie vielleicht Arbeit? Dann müssen Sie mit Mrs. Peachum sprechen. Was den Jungen betrifft, so weiß ich nicht ...«
    »Wir sind hier, um mit dem Earl of Northcliffe zu sprechen. Wenn Sie uns jetzt bitte sofort zu ihm bringen würden?«
    Ihre Sprache war Upper Class, daran gab es keinen Zweifel, aber sie hatte einen ganz schwachen singenden Akzent, den Jamieson nicht einordnen konnte. Sie wollte also zum Grafen, na sowas! Sie und der Junge sahen wie Bettler aus. Wie nasse Bettler. Das Kleid des Mädchens war viel zu kurz. Zweifellos wollten sie ein Almosen und versuchten es mit Unverfrorenheit. Er warf sich in die Brust und wollte der frechen Göre gerade klarmachen, daß sie ihm nichts zu befehlen habe, als eine andere Männerstimme ertönte: »Wen haben wir denn da, Jamieson?«
    »Ah, Mr. Hollis, Sir — diese beiden hier sind gerade von einem Kutschbock gestiegen, und die hier verlangt den Grafen zu sprechen. Ich wollte sie gerade ...«
    Mr. Hollis betrachtete Sophie, und sie hielt seinem Blick ruhig stand. Dann trat er lächelnd beiseite und führte sie ins Haus.
    »Bitte treten Sie ein, Madam, und der Junge ebenfalls. Ah, das Wetter ist wirklich unerfreulich, nicht wahr? Sie sind naß und frieren bestimmt. Kommen Sie bitte. Jamieson, nehmen Sie die Koffer und stellen Sie sie neben die Treppe.«
    »Wer ist das?« fragte Jeremy hinter vorgehaltener Hand. »Ist das der Graf?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Das alles ist sehr sonderbar, Sophie.«
    Ihre Schritte hallten in der riesigen Eingangshalle laut wider. Ein Kronleuchter hing

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