Die Satansbraut
von der Decke herab, und sein Kristall schimmerte im trüben Nachmittagslicht. Schwarze und weiße Quadrate aus italienischem Marmor bildeten den Fußboden. An den Wänden hingen Gemälde, und ein großer Kamin war von Ritterrüstungen flankiert. Sophie dachte an ihr behagliches Elternhaus in Fowey. Auch dort hatte es einen Kronleuchter gegeben, nur war er nicht so groß wie ein Zimmer gewesen. Wenn Ryder von seinem Zuhause erzählt hatte, hatte sie sich nie etwas derartig Imposantes darunter vorgestellt. Sie sah weitere Dienstboten, die sie und Jeremy anstarrten und verstohlen miteinander tuschelten.
Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Statt dessen reckte sie energisch das Kinn.
Mr. Hollis führte sie durch einen breiten Korridor in einen kleinen Raum, wo glücklicherweise ein kräftiges Feuer im Kamin prasselte.
»Ich werde den Grafen sogleich über Ihre Ankunft unterrichten. Wen soll ich ihm melden, Madam?«
Sophie mußte unwillkürlich grinsen. »Bitte sagen Sie ihm, seine Schwägerin und sein Schwager seien aus Jamaika eingetroffen.«
Die dunklen Augen des Mannes spiegelten weder Verwunderung noch Zweifel wider, und Sophie glaubte sogar ein leichtes Aufleuchten darin zu erkennen. »Ich verstehe. Nehmen Sie doch Ihre Mäntel ab und wärmen Sie sich ein wenig. Ich bin ganz sicher, daß der Graf Sie sofort empfangen wird.«
Sie blieben allein in dem kleinen Zimmer zurück. Die Vorhänge waren an diesem naßkalten Nachmittag geschlossen. Ein zierlicher Schreibtisch und die hellgrünen und gelben Polstermöbel deuteten darauf hin, daß dies der Salon einer Dame war. Neben einem bequemen Ohrensessel lag ein Stapel Bücher auf dem Boden. Es war ein wunderschöner Raum, ganz anders als diese Salons auf Jamaika.
Wenn es nur nicht so verdammt kalt wäre! Sophie hatte vergessen, wie sehr sich England von Jamaika unterschied. Sie half Jeremy, seinen Mantel auszuziehen, und legte sodann ihren eigenen ab. Beide stellten sich dicht vor den Kamin und streckten ihre Hände den Flammen entgegen.
»Das hast du wirklich gut gemacht, Sophie. Ich hatte solche Angst, daß ich kein Wort hervorgebracht hätte.«
»Sie können uns schließlich nicht erschießen. Was sie freilich tun werden ...« Sie zuckte hilflos die Achseln. Ihre Zunge war plötzlich wie gelähmt.
Die Tür flog weit auf, und ein junges Mädchen stürzte herein, ein junges Mädchen mit dichten bräunlich-blonden Locken und den schönsten blauen Augen, die Sophie je gesehen hatte. Ryder hatte die gleiche Augenfarbe, und auch die Haarfarbe stimmte überein. Das Mädchen sah ungemein lebenssprühend aus — ebenfalls wie Ryder — und grinste übers ganze Gesicht. »Hallo! Ich habe Sie vom Kutschbock steigen sehen! O Gott, Sie sind ja ganz naß und frieren bestimmt. Ich habe diesen gräßlichen Regen auch so satt. Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin Sinjun, wissen Sie, die Schwester des Grafen. Und wer sind Sie?«
Sophie erwiderte ihr entwaffnendes Lächeln. Sinjun entsprach genau dem Bild, das Ryder gezeichnet hatte. Groß, schlank, sehr hübsch und zutraulich wie ein junges Hündchen.
»Ich bin Sophie Stanton-Greville«, sagte sie, während sie auf das Mädchen zuging. »Nein, das stimmt ja nicht mehr. Ich bin Sophie Sherbrooke, Ryders Frau, und dies hier ist Jeremy, mein Bruder.«
Sinjun starrte das nasse Geschöpf fassungslos an, das ein mädchenhaftes und viel zu kurzes Kleid trug, ein Kleid, das Ryder mit Sicherheit scheußlich gefunden hätte.
Das war wirklich mehr als merkwürdig.
»O Gott, stimmt das? Wissen Sie, es ist schwer zu glauben. Ryder verheiratet! Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Beim besten Willen nicht. Ich dachte, er würde nie heiraten, weil er so verrückt nach Frauen ist und ...»
»Ich glaube, das reicht fürs erste, Sinjun.«
Der Graf, dachte Sophie, und erstarrte zur Salzsäule. Er sah weder Ryder noch Sinjun ähnlich, war sehr groß und kräftig gebaut, mit breiten Schultern, schlank und muskulös. Seine Haare waren rabenschwarz, ebenso seine Augen. Er machte einen sehr strengen, ja geradezu unerbittlichen Eindruck, und sie konnte sich nur eine einzige Reaktion seinerseits vorstellen: daß er sie und Jeremy sofort hinauswerfen würde. Er musterte sie aufmerksam, und sie wußte, daß ihm keine Einzelheit entging. Ihr war klar, wie sie und Jeremy aussahen. Kein vielversprechender Anfang. Sie warf den Kopf ein wenig zurück, während sie daran dachte, daß Ryder ihr gesagt hatte, sein Bruder hätte sich nie
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