Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)
zwischen ihren schlechten Zähnen hervordrang und über ihr Gesicht wallte.
Langsam öffnete sie die Augen und bot Karl die Pfeife an. Zögernd nahm er sie. Sah ihr ins Gesicht, das implodierte wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht, dann betrachtete er den Wahnsinn, den er in der Hand hielt. Cathys Spucke klebte am Röhrchen des Bic.
Widerlich.
Er verdrängte den Gedanken daran und nahm tapfer einen Zug aus der Pfeife. Hustete. Keuchte und prustete unbeherrscht. Rauch und grüner Rotz kamen ihm aus der Nase.
Ekelhaft.
Er putzte sie hastig.
»Das ist
echt
neu für dich«, sagte Cathy lachend. »Keine Bange, beim ersten Mal ist es immer am schlimmsten – und am
süßesten
. Und jetzt solltest du inhalieren, als ob du es ernst meinst. Als ob dein Leben davon abhängen würde.
Vermassle
es bloß nicht.«
Widerwillig sog Karl den Rauch ein und versuchte nicht mehr zu verhindern, dass er die dunkle Reise in seine Lungen und den Blutkreislauf antrat. Die Wirkung erwischte ihn mit voller Wucht. Stromschläge pulsten durch sein Gehirn. In seinen Armen summte plötzlich Elektrizität. Seine Beine fühlten sich verkrampft und wie Pappmaschee an. Er musste scheißen.
»Nimm noch einen Zug«, sagte Cathy und sah ihm in die Augen. »Vertraust du mir nicht?«
»Natürlich … vertraue ich … dir. Sogar sehr …«, murmelte er Sekundenbruchteile zu spät, da sein Zeitgefühl aus den Fugen geriet. Das Zimmer drehte sich langsam. Er schloss die Augen, um gegen den Schwindel anzukämpfen. Er brauchte etwas länger, bis er die Augen abwenden und den Blick wieder auf Cathy richten konnte. »Sag … sag mir nur … sag mir nur, wo der Käfig ist …?«
»Das wird ein wunderbarer Trip. Ich hoffe, dein Pass und Visum sind in Ordnung, Karl?«, sagte Cathy kichernd, doch mit einem finsteren und bedrohlichen Unterton.
»Reise?« Sein Kopf wurde amorph. Karl spürte, wie sein Gesicht sich nach innen schraubte, wie Wasser, das in einen Abfluss rann.
»Wir sind beide im selben Kopf, Karl. Begreifst du das nicht?«
»Selben Kopf …« Das Zimmer schwoll an und schrumpfte – Atemstöße wie die einer Lunge aus Beton. Er hörte seinen Herzschlag.
Poch. Poch. Poch.
»Herz … brennt … ich brauche … Luft.«
»Ganz ruhig.« Cathys Augen wurden groß und funkelten vor Vergnügen. Sie küsste ihn sanft auf die Wange und näherte sich seinen Lippen mit den ihren. Ihr Mund klaffte riesig, das verschwitzte Gesicht sah gerötet und großporig aus. Sie murmelte ihm etwas Unhörbares, aber Anstößiges ins Ohr.
Karl nahm ihren durchdringenden Körpergeruch wahr; sah sein verzerrtes Spiegelbild in den runden Nieten in ihrer Zunge. Etwas geschah mit Cathys Lippen, sie schienen anzuschwellen, sahen plötzlich wie weibliche Geschlechtsorgane aus. Die bizarren Lippen drängten sich an die seinen. Er wehrte sich.
»Wenn du mir nicht hilfst«, zischte sie in seinen Mund, »helfe ich dir auch nicht. Wenn du mir noch einmal nicht gehorchst, bist du hier nicht mehr erwünscht. Habe ich mich klar ausgedrückt? Dann findest du den Käfig nie.«
Karl versuchte zu antworten. »Meine Zunge … ist wie … Gum… Gum…
Gummiii
.«
»Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja … Son…nen…klar.«
»Meine Äpfel sind die besten auf dem Markt«, sagte Cathy und führte Karls Hand an ihre Brust. »Und weißt du, warum?«
Karl schüttelte nur den Kopf, da seine Zunge die Worte nicht mehr formen konnte. Es kam ihm vor, als würde er in Treibsand versinken.
»Wenn man fertig ist, isst man das Beweisstück einfach auf!«, rief Cathy aus und lachte vulgär und unerwartet laut, während sie ihm mit der anderen Hand den schwelenden Apfel auf den Mund drückte, sodass ihm die Zähne wehtaten. »Beiß ab. Lass das Beweisstück verschwinden. Wir wollen doch nicht, dass uns die Bullen verhaften, oder?« Plötzlich sahen ihre Augen groß und leer aus, wie ein gewaltsam aufgerissenes Fenster.
Karl nickte in Zeitlupe. Öffnete den Mund. Biss in den Apfel. Er schmeckte wie feuchtes Sägemehl. Er schluckte den heißen Bissen im Mund. Er war unverwundbar.
Einen kurzen, klaren Sekundenbruchteil lang sah er Funken tanzen. Cathy streifte die wenigen Kleidungsstücke ab, die sie am Körper trug, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen.
Jetzt sah er zum ersten Mal, dass die Natur achtlos mit ihrer Anatomie umgegangen war. Ihr Körper war missgestaltet, rachitisch verkrümmt. Blaue Adern überzogen die entblößte Haut. Und doch besaß sie bei allen
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