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Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Titel: Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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Geflügel als Nahrungsmittel hielten und die Tiere durch Stopfen fett machten.«
    »Und wozu?«
    »Weißt du, was
foie gras
heißt?«
    »Fettleber?«
    »Stimmt genau. Diese Fettlebern werden drei bis vier Mal so groß wie normal. Gelten als Delikatesse, die von sogenannten Sterneköchen und fressgeilen Gourmets geschätzt wird.«
    Die Gans kreischte ein schrilles
Herr-onk-onk, her-onk-onk
der Qual. Für Karl klang es geradezu erschreckend menschlich. Der Anblick ging ihm an die Nieren.
    »Kannst du den verdammten Ton ein wenig leiser stellen, Naomi?«
    »Macht dich das fertig?«
    »Ja.«
    »Gut«, antwortete sie und stellte mit der Fernbedienung lauter. »Jeder sollte das hören, bevor er so etwas isst.«
    Herr-onk-onk, her-onk-onk, her-onk-onk, her-onk-ooooooonk.
    »Was ist denn in dich gefahren?«
    »Diese Folter müssen die Tiere die letzten zwei bis drei Wochen ihres Vogellebens über sich ergehen lassen, bis man sie schließlich schlachtet. Kannst du dir vorstellen, dass du so gefoltert wirst und schreist, und keinen interessiert es auch nur einen Scheißdreck? Furchtbar …«
    Manchmal folgte das Glück Karl wie ein Hund. Manchmal eilte es ihm ein wenig zu weit voraus. Manchmal blieb es ein Stück zurück, doch es hielt sich stets in Hörweite auf, und er wusste, wenn er lange genug wartete, kam es am Ende. Und plötzlich traf ihn dieses Glück, als hätte ihm jemand ein Gummiband an die Stirn geschnalzt. Der Gedanke wuchs so sehr in seinem Kopf, dass für nichts anderes mehr Platz blieb.
    »Ich muss weg, Naomi. Sollte nicht allzu lange dauern«, sagte er und schnappte sich hastig den Mantel.
    »Aber … es ist schon spät. Ich mach das aus, wenn es dich so sehr mitnimmt, und …«
    »Nein! Nein, lass das an. Ich muss dir ein paar Fragen stellen, wenn ich wieder da bin.«

Kapitel Dreiundzwanzig
    »Es ist etwas Beunruhigendes am Mondenschein; er besitzt die Leidenschaftslosigkeit einer Seele ohne Körper, und zugleich etwas von ihrem unergründlich Geheimnisvollen.«
    Joseph Conrad, Lord Jim
    Die Dämmerung senkte sich über Belfast und schuf Schleichwege für die Nacht. Die Straßen waren verlassen – die meisten Menschen waren offenbar schon da, wo sie sein wollten –, und die Stadt verwandelte sich in eine erschreckend stille Wüste.
    Der Eisengeruch von Regen lag in der warmen, stickigen Luft.
    Karl stand unter einer bogenförmigen Straßenlampe, bis er sich mit einem geisterhaften Mond als einzigem Zeugen endlich traute, das Gebäude zu betreten.
    »Ich hatte gleich das Gefühl, dass du wiederkommen würdest«, sagte Cathy selbstgefällig. »Hast du deine kostbare Martina gefunden? Legt die kleine Gans wieder goldene Eier für dich?«
    Cathy wirkte seit der letzten Begegnung sichtlich gealtert. Die Flecken in ihrem Gesicht hatten sich ausgebreitet wie ein behandlungsresistenter Ausschlag, sodass sie kränklich, teigig und verschwitzt aussah. Bizarrerweise trug sie einen viel zu engen Badeanzug, aus dem ihr Busen fast herausquoll. Unten rutschte der Anzug immer wieder an der Innenseite ihrer Schenkel hoch. Karl sah den beunruhigenden Schatten von Schamhaar darunter.
    »Sie müssen mir von den Mädchen erzählen, Cathy – von allen.«
    »Du stehst auf die jungen, was? Feiste, leckere, kleine, nackte Gänschen? Kommst du nicht mit Frauen in deinem Alter klar, die schon etwas reifer sind, so wie ich?«
    »Sie wissen, was er mit ihnen macht.«
    »Wer?«
    »Er mästet sie. Bei unserer ersten Begegnung haben Sie mich gefragt, ob die fette, goldene Gans aus ihrem Käfig geflohen ist. Wissen Sie noch? Und jetzt sprechen Sie schon wieder von Gänsen.«
    Cathy lächelte, sagte aber kein Wort.
    »Sie locken sie zu ihm, Cathy. Oder nicht? Die kleinen Mädchen. Die sind alle irgendwann einmal hier gewesen. Oder nicht?«
    »Ich … ich weiß nicht, was du meinst.«
    Zum ersten Mal, seit er sie kennengelernt hatte, dachte Karl, dass er Unsicherheit hinter Cathys sonst so selbstbewusstem Auftreten spürte.
    »Sie wollen ganz bestimmt nicht Beihilfe zu einem Mord leisten, Cathy. Ich glaube, Sie wollten ihn und sein krankes, mörderisches Spiel aufhalten. Sie haben mir Hinweise gegeben, aber ich war zu begriffsstutzig. Zuerst habe ich es einfach nicht kapiert, aber jetzt schon. Wer oder was ist der Käfig?«
    »Ich … du solltest gehen … ich will nicht mit dir reden.«
    »In Schottland wurde eine Leiche gefunden. Höchstwahrscheinlich ist es Martina Ferris. Wollen Sie das auf dem Gewissen haben, Cathy? Folter

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