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Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Titel: Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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gelegenen Baustelle.
    »Pass auf, dass du dir in dem ganzen Müll nicht den Hals brichst«, riet Karl.
    »Stockfinster. Hat dir dein Freund auch ganz sicher die richtige Adresse gegeben?«, fragte Willie, der in letzter Sekunde einer aufragenden Dachlatte auswich.
    »Ja«, antwortete Karl, der sich alles andere als sicher war.
    Ein achtlos weggeworfenes Kinderfahrrad ragte wie eine Metallfaust aus dem klebrigen Gerinnsel aus getrocknetem Schlamm und pulverigem Betonstaub. Zahlloser anderer Schrott, überwiegend alte Möbel und Plastikkisten, waren zu einem Haufen aufgetürmt. Leere Schnapsflaschen und benutzte Kondome lagen zwischen den klebrigen, aufgeweichten Seiten von Pornoheften. Schwarze Tierkreiszeichen und mystische Symbole verunzierten die Mauern, dazwischen überwiegend falsch geschriebene Worte, die Satan und die Macht der Dunkelheit priesen. Die blutigen Kadaver von mit Backsteinen erschlagenen Ratten sahen in der Dunkelheit wie Erdbeerkuchen aus. Am meisten erschreckte Karl jedoch eine ausgeweidete, lebensechte Sägemehlpuppe, die ihre feuchten Eingeweide auf den Erdboden erbrach. Ihre gruseligen, gottlosen Augen schienen ihn herauszufordern. »Wirklich nette Gegend. Hier kriegt sogar ein Willie weiche Knie«, flüsterte Willie und drückte sein kleines Ledertäschchen wie einen Talisman an die Brust. »Tomb Street. So etwas kann man nicht erfinden. War hier nicht früher einmal ein Friedhof, oder so etwas?«
    »Nein, der Name kommt daher, dass man längst tot ist, bis einem die Post zugestellt wird, wenn man hier wohnt«, antwortete Karl und verschwieg diskret, dass sich der ehemalige Friedhof seines Erachtens direkt unter ihren Füßen befand.
    »Ist das da ein totes Huhn neben dieser gruseligen Puppe? Das
ist
doch ein totes Huhn, oder nicht?«
    »Keine Ahnung, ob es tot ist oder nicht, ich weiß nur, dass ihm in absehbarer Zeit keine Eier mehr aus dem Arsch ploppen dürften. Das waren wahrscheinlich irgendwelche Kinder, die nichts Besseres zu tun haben«, sagte Karl und versuchte, ruhig und zuversichtlich zu klingen. »Bestimmt eine Art Mutprobe.«
    »Als ich ein Kind war, haben wir als Mutprobe Klingelstreiche gemacht«, murmelte Willie, der unvermittelt vor der Hintertür stehen blieb und eine winzige Taschenlampe aus der Tasche holte. Augenblicke später fand der dünne Lichtstrahl sein Ziel: ein riesiges Messingschloss an einer eindrucksvollen, mit Graffiti übersäten Metalltür.
    »Und?«, fragte Karl ungeduldig. »Schaffst du das?«
    Willie schüttelte den Kopf. »Das ist ein regelrechtes Schwiegermuttermonster von einem Schloss. Ein Claymore DX mit skandinavischen ovalen Zylindern.«
    »Himmelherrgott.« Der Name klang für Karl wie die Bezeichnung für ein Maschinengewehr.
    »Die Dinger sind der letzte Schrei im Sicherheitsbereich«, sagte Willie. »Dieses Scheißding unterscheidet sich dadurch von normalen Schlössern, dass es mindestens tausend Schlüsselkerben hat, dazu im Inneren eine Anti-Bohrer-Platte und Anti-Säge-Bolzen. Nicht zu vergessen, einen Sicherungsriegel und einen Anti-Dietrich-Mechanismus.«
    »Ziemlich Anti, Willie. Warum höre ich so gar kein Pro?«
    »Dieses Schloss lässt sich so gut wie nicht knacken und ist scheiße aufzubohren. Es ist das Fort Knox unter den Schlössern.«
    »Das war’s dann also? Willst du sagen, dass unser nächtlicher Ausflug zu Ende ist?« Karl ließ bereits den Blick über die Fassade schweifen, um vielleicht doch noch eine Möglichkeit zu finden, einzusteigen. Schließlich blieb nur noch die Vorderseite. Doch davor graute ihm, da sie sich unnötigerweise möglichen Blicken aussetzen mussten.
    »Ich sagte,
so gut wie nicht
zu knacken. Nimm die Taschenlampe. Kampflos ziehen wir hier nicht ab«, beharrte Willie, kramte in seiner Tasche und holte ein Werkzeugset und ein Gerät heraus, das wie ein winziges Hufeisen aussah. »Dieses kleine Überbrückungswerkzeug habe ich vor ein paar Jahren erfunden. Drück die Daumen, dass es funktioniert.«
    »Ich drück zur Not auch die Zehen, wenn wir nur …«
    Plötzlich spürte Karl ein Kribbeln im Nacken. Ein
sehr
unangenehmes Kribbeln. Seine Hämorrhoiden schmerzten. Er warf einen Blick über die rechte Schulter und sah einen Wagen mit Standlicht verdächtig langsam vorüberfahren.
    Oh, Scheiße. Ein Streifenwagen.
Er fragte sich, ob Willie es auch gesehen hatte; fragte sich, wie er ihn darauf aufmerksam machen könnte, ohne Panik auszulösen. Hastig schaltete er die Taschenlampe aus, sodass wieder

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