Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)
fühlte er sich schrecklich unrein.
Kapitel Achtundzwanzig
»Liebe und Mord suchen die Öffentlichkeit.«
William Congreve, The Double Dealer
Am nächsten Morgen fuhr Karl schweißgebadet und desorientiert im Bett hoch. Er hatte Angst, aber nicht wegen des Albtraums der vergangenen Nacht; es handelte sich vielmehr um die niederschmetternde Angst eines Mannes, dessen Welt urplötzlich aus den Fugen geraten ist und sich nun mehr oder weniger seiner Kontrolle entzieht. Sein Magen schmerzte, als hätte er die halbe Nacht Klappmesser gemacht. Immer wieder war Cathy in Karls Träumen aufgetaucht, hatte gelacht und ihm erzählt, wie toll der Fick mit ihm gewesen wäre.
Gott sei Dank schlief Naomi noch und atmete tief und gleichmäßig. Die Decke reichte ihr nur noch bis zur Taille und entblößte ihre Brüste. Karl zog die Decke wieder hoch, ehe er aufstand.
Während der Kaffee kochte, dachte Karl in der Küche darüber nach, wie viel Spielraum ihm noch blieb.
Du hättest früher handeln sollen,
ertönte eine vorwurfsvolle Stimme in seinem Kopf.
»Ging nicht. Nicht genügend Beweise.«
Ha! Das hat dich noch nie an etwas gehindert. Wenn überhaupt, war es dir ein Ansporn.
»Das ist etwas anderes.«
Blödsinn! Du hattest Sex mit Cathy. Womöglich hast du sie sogar im Drogenwahn getötet.
»Red keinen Scheiß!«
»Karl? Mit wem redest du da?«, fragte Naomi, die plötzlich in der Tür stand. Sie sah so verschüchtert aus wie Karl selbst.
»Was? Oh, mit mir selbst. Ich … fliege wohl endgültig über das Kuckucksnest.« Er lächelte gezwungen. »Kaffee?«
»Du benimmst dich so seltsam seit der Nacht, in der dir angeblich dein alter Schulfreund über den Weg gelaufen ist.«
Etwas in Naomis Stimme sagte Karl, dass sie eine neue Stufe erreicht hatten – es hörte sich fast wie ein Vorwurf an. Das Wort
angeblich
hatte einen unguten Beigeschmack.
Der festen Überzeugung, dass Angriff die beste Verteidigung ist, stammelte Karl: »
Angeblich?
Was zum Teufel soll das denn heißen?«
»Cathy. Wer ist das? Du hast im Schlaf dauernd diesen Namen gesagt. Du hältst mich wohl für bescheuert, Karl Kane! Du verbirgst etwas vor mir. Etwas Schreckliches. Das spüre ich. Ich kenne dich gut genug.« Naomis Unterlippe zitterte. Damit sah sie noch viel schöner aus, aber auch empfindlich und verletzlich. Als sich Karls innerer Schweinehund meldete, fühlte er sich noch beschissener. »Wir haben seit fast einer Woche nicht mehr miteinander geschlafen. Du hast damals mitten in der Nacht geduscht, aber glaubst du, ich hätte sie nicht trotzdem an dir gerochen? Mir ist gleich, was du von mir denkst, aber eines solltest du niemals wagen, nämlich mich für dumm zu verkaufen.«
»Es ist nicht so, wie es aussieht, Naomi«, sagte Karl, der sich an dem Nikotinpflaster auf seinem Arm kratzte und sich eine Zigarette wünschte. »Das musst du mir glauben.«
»
Dir
glauben? Das ist ein Witz. Ich sag dir was. Ich sag dir was. Atme tief durch, Karl Kane. Und spuck’s aus, aber ich schwöre dir eines, wenn auch nur eine Lüge über deine Lippen kommt, bei Gott, dann siehst du mich nie wieder. Das garantiere ich dir.«
»Ich brauche eine Zigarette.«
»Du kannst dich zu Tode rauchen, sobald ich hier weg bin – endgültig.«
Karl hielt es nicht mehr aus und ließ die Luft, die er angehalten hatte, aus den Lungen entweichen. Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Es gab kein Entkommen.
»Okay … hör zu, ich hätte gleich mit dir reden sollen, Naomi, aber wie sagt man so treffend, Alter schützt vor Torheit nicht. Ich wusste nicht, wie du reagieren würdest.«
»Ich wusste es!«, rief Naomi und brach in Tränen aus. »Ich wusste es! Du treuloses Aas!«
»Nein! Es ist nicht so, wie du denkst. Hör einfach zu. Mehr verlange ich nicht … bitte.«
In den folgenden zwanzig Minuten gab sich Karl größte Mühe, ihr reinen Wein über Cathy einzuschenken.
»Am nächsten Morgen war ich im Krankenhaus«, fuhr Karl fort. »Ich sagte dir, wegen den Kratzern, aber in Wahrheit ließ ich mich auf Geschlechtskrankheiten untersuchen … darum habe ich nicht mit dir geschlafen. Es tut mir leid, Naomi.«
Naomis Gesicht war aschfahl. Sie sagte kein Wort.
»McGlone hat mich mehr oder weniger vergewaltigt, Naomi. Begreifst du das nicht?«, flehte Karl mit zunehmend verzweifelterer Stimme. »Als sie mir die Nadel reingerammt hatte, war ich vollkommen hilflos. Was hätte ich machen sollen? Antworte mir, verdammt, statt nur dazusitzen und mich so
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