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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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ergaben viertausend. Unter dem Fenster waren Schreibtisch und Stereoanlage platziert. Sofort fühlte ich mich fünf Jahre zurückgebeamt, als ich in Essen Betriebswirtschaft studiert hatte. Allerdings war meine Bude um achtzig Prozent kleiner gewesen.
    »Hau dich hin«, wies Gisbert auf die Designersitzgruppe von Rolf Benz, »ich besorg die Drinks .«
    Ich haute mich hin und hielt Ausschau nach einem Aschenbecher. Entweder den auf dem Boden, oder den direkt neben mir auf dem Sofa, oder den auf dem Plattenspieler, oder vielleicht doch den auf dem Glastisch. Mensch, immer diese Entscheidungen.
    »Okay, Mann, was geht ab ?« , drückte Bruhns mir ein Fiege-Pils in die Flosse.
    Um den geneigten Leser nicht zu langweilen, kürze ich etwas ab: Ja, Gisbert war auch von Hermanns Tod überrascht worden, nein, es konnte definitiv kein Selbstmord gewesen sein, ja, die Serapionsbrüder hatten zusammengeschmissen, um den Mörder zu fassen, nein, ihm fiel kein Verdächtiger ein.
    Ich berichtete von dem anonymen Anruf.
    »Kollege, das ist doch wohl ein Witz. Welches Drecksschwein macht denn so was ?« , war er zu Recht ein wenig erzürnt.
    »Keine Ahnung, aber du hast doch bestimmt ein Alibi für die Tatzeit«, versuchte ich die Frage nicht provokant klingen zu lassen.
    »Gerade hatte ich angefangen, dich zu mögen, und jetzt kommst du mit so einer Scheiße«, ließ er die Finger knacken. Also doch einen VHS-Kurs in Diplomatie.
    »Ich muss was tun für dein Geld, also ?« , ließ ich nicht locker.
    »Das ist doch tagsüber passiert, right ?« , animierte er mich zu einem Nicken, »dann habe ich gearbeitet. Ich bin Trader bei einer namhaften deutschen Bank .«
    »Trader ?« , tätschelte ich meine Haarpracht.
    »Wer gut ist, kann sich einiges erlauben«, brummte er, »und ich bin der Beste .« Keine Ahnung, wieso, aber ich mochte den Vogel.
    »Und der Iro bedeutet nicht, dass man mit irgendwelchen verlausten Tölen vor Jugendzentren rumhängt und Wodka in sich reinschüttet, sondern dass man aufrecht durchs Leben geht und sich von keinem ansaugen lässt«, setzte er zur Bergpredigt an. »Und um die nächste Frage gleich mit zu beantworten: Ein Iro bedeutet auch nicht, dass man maximal einen Satz unfallfrei sprechen kann, und deswegen bin ich Mitglied in diesem Verein .«
    »Kannst du dir denn vorstellen, wer dich derart belasten könnte ?« , kam ich auf das leidige Thema zurück.
    »So, wies aussieht, einer aus unserem Kreis«, kombinierte er gar nicht schlecht. »Dabei habe ich eigentlich gedacht, das seien alles harmlose Spinner .«
    »So kann man sich täuschen, oder vielleicht auch nicht«, mimte ich den Weisen, setzte die Bierflasche an und leerte sie.
    »Pass auf, Nannen, begraben wir das Kriegsbeil. Ich werde Herrn Fiege bitten, zwei weitere Blonde zu brauen, und anschließend spiel ich dir meine neueste Errungenschaft vor .«
    Wenig später lauschten wir mit Bier und Zigarette bewaffnet den Klängen von Heinz Rudolf Kunze , einen Meister seines Fachs, wie Bruhns mir versicherte. Da es sich um einen Bootleg übelster Qualität handelte — irgendein Bochumer Konzert von vor zwanzig Jahren — , konnte man wenigstens nicht alles verstehen, was der Knabe so absonderte. Was für eine Verschwendung, diese Zehntausend-Euro-High-End-Anlage mit so einem Müll zu füttern. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel, denn ansonsten konnte man mit Gisbert ganz gut plauschen.
    Zu den Klängen von sexy Marius, der nach Theo gegen den Rest der Welt lieber Schauspieler geblieben wäre, stellten wir Gläser und Knabbereien auf den Tisch, denn der Ansturm der Poeten stand bevor.
    Innerhalb der folgenden Viertelstunde trafen alle Möchtegerndichter ein. Als Letztes beglückte uns ein hutzeliges Männchen, das sich als Augustus Strass vorstellte.
    »Ziemlich bourgeoises Outfit für einen Schnüffler«, blieb sein Blick an meinem Jackett haften. »Fühlen Sie sich etwa nicht der Arbeiterklasse verbunden? Es reicht doch wohl, dass Gisbert so rumläuft .« Der Abend versprach einen hohen Unterhaltungswert. Alle Mitglieder des Dichterkreises schienen in die Klapse zu gehören.
    »Ich habe ein holistisches Weltbild, Herr Strass. Ich glaube, dass alle Menschen auf einer metaphysischen Ebene miteinander verbunden sind. Daher darf auch ein Arbeiterfreund ein Sakko tragen, wie schon Hegel, der Vater der Dialektik, zu sagen pflegte .«
    »Das hat Hegel gesagt ?« , blickte er mich ungläubig an.
    »Phänomenologie des Geistes, Seite hundertsiebzehn, zehnte

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