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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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vorgesetzt, die meine Geschmacksknospen als Hagebuttentee identifizierte. Zudem durften wir unsere Mägen mit hartem Graubrot vollschlagen. Die Erdbeermarmelade bestand zu neunundneunzig Prozent aus Zucker.
    Nachdem ich von der Morgenzigarette im abgeschmackten Raucherzimmer zurückgekehrt war, musste ich Muschinskis Lebensgeschichte mit anhören, die er Gipsbein-Thorsten in epischer Breite erzählte. Dauerte nicht länger als fünf Minuten.
    Dann der Höhepunkt des Tages: Visite. Sie besaß unverkennbare Parallelen zu einem Besuch des Bundespräsidenten. Ein gewisser Professor Gumbrecht schleppte einen kompletten Hofstaat an Assistenzärzten und Schwestern hinter sich her. Zunächst wechselte er einige Worte mit meinen Zimmergenossen, dann war ich an der Reihe.
    »Wie geht es uns ?« , blickte er väterlich auf mich herab.
    »Sind Sie der Koch? Dann sehen Sie mal schleunigst zu, dass der Speiseplan überarbeitet wird. Nach diesem Frühstück graut es mir schon vor dem Mittagessen .«
    Für einen Sekundenbruchteil blickte er verdutzt aus der Wäsche, dann war er wieder die personifizierte Souveränität: »Zumindest hat unser Herr Nannen seine Forschungen auf dem Gebiet der Morphologie aufgegeben«, ließ er seinen Tross schmunzeln.
    »Das wird schon wieder, mein Lieber, das wird schon wieder«, tätschelte er mir den Kopf und verschwand samt hundertköpfigem Anhang.
    Allerdings dauerte es nicht lange, bis die Tür erneut geöffnet wurde.
    »Was machen Sie denn für Geschichten? Hätte ich geahnt, dass Sie mein Gedicht dermaßen erregt, hätte ich eines meiner beschaulicheren Poeme vorgetragen .« Vaganz sollte auch mal auf der Fußmatte ausrutschen; auf dem Himalaya.
    »Dieter will Kaffee trinken«, musste ich ihn an einen Ort lotsen, wo wir ungestört waren.
    »Mon pauvre ami! Es muss Sie schwer erwischt haben, wenn Sie es für unnötig erachten, den unbestimmten Artikel, eine der poetisch wirksamsten Wortgattungen der deutschen Sprache, zu gebrauchen. Es heißt: Einen Kaffee, Herr Nannen, einen Kaffee !«
    »Bringen Sie mich zur Cafeteria, Sie Idiot !« , zischte ich leise und zog dabei ernsthaft in Betracht, Krankenhaus gegen Gefängnis einzutauschen, indem ich ihn auf der Stelle erwürgte. »Schon mal was von verdeckter Ermittlung gehört ?«
    »Naturellement. Mea culpa, mea culpa. Lassen Sie uns aufbrechen .«
    Während ich mich umzog, wurden wir hervorragend unterhalten: »Noch ein Bekloppter. Wenn das so weitergeht, haben wir hier das reinste Irrenhaus«, klatschte Fred sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Die sind selbst für die Klapse zu bescheuert«, gluckste Franz.
    In der Cafeteria ließ ich mir ein Kännchen Kaffee, eine Frikadelle mit Senf und eine Schachtel Camel spendieren. Nachdem ich den Fleischklops vertilgt und eine brennende Kippe zwischen die Lippen gesteckt hatte, war ich für das Gespräch mit Xtra gerüstet.
    »Woher kennen Sie Grutz’ neuen Roman? Kein anderer hat bisher davon gehört«, ging ich sofort in die Vollen.
    »Habe ich in meiner unverzeihlichen Geistesabwesenheit nicht erwähnt, dass Hermann mich zwei Tage vor seinem Tod um Rat gefragt hat? Er war sich nicht sicher, ob der Stoff nicht zu brisant sei .«
    »Na schön, nicht so wichtig. Wichtig hingegen sind die Namen der beteiligten Ärzte. Wenn ich von Ihnen keine Anhaltspunkte erhalte, muss ich im Trüben fischen, was die Aufklärung erheblich verzögern wird .«
    Vaginowski runzelte nachdenklich die Stirn: »Mein Gedächtnis besitzt auch nicht mehr die Kraft, der es sich früher erfreute. O Jugend, wohin bist du gegangen ?«
    »Soll ich Ihnen auf die Sprünge helfen? Bis jetzt habe ich Doktor Grunwald und Professor Gumbrecht kennengelernt .«
    »Gumbrecht !« , begannen seine Augen zu leuchten. »Er ist der Drahtzieher, wenn ich mich Ihrer Terminologie bedienen darf. Im Buch heißt er zwar Professor Grubecht, aber das soll uns nicht täuschen. Heften Sie sich an seine Fersen, und Sie haben den Mörder !«
    Das war doch was. Jetzt brauchte ich keine wertvolle Zeit zu verschwenden, denn allzu lange würde man mich kaum hierbehalten. Nachdem ich Xtra gebeten hatte, Karin Schumann mit der Pflege meiner Tiere zu betrauen, ging es zurück aufs Zimmer.

9
    D er langweilige Nachmittag wurde nur durch Connies Besuch unterbrochen, die mir Schlafanzug, Bademantel, Jeans und T-Shirt vorbeibrachte. Der anschließende Flirt unterschritt die Fünf-Minuten-Marke, da sie ihren Vater aus der Bücherei abholen musste.
    Meine anfängliche

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