Die Scanner
Bis Arne das Schweigen durchbrach. »Denk daran, keine Mobril, kein Ultranetz. Benutze lieber die Schaltkreise in deinem Hirn. Zumindest wenn wir uns treffen.«
Das hatte gesessen. Ich konnte nicht mehr. Ich wartete wie ein Schüler auf das Pausenzeichen.
»Erinnerst du dich an das, was die Stimme in unserer Mobril-Botschaft zu dir sagte?«, fragte Arne.
»Nein«, log ich.
Und dachte an die zwei Buchstaben auf der weißen Feder am Ende der unheilvollen Nachricht. B und G standen also für Büchergilde . Arne wiederholte den Spruch aus der Animation vor der versammelten Keller-Gesellschaft. »Wer Bücher scannt, löscht deine Vergangenheit und deine Zukunft.«
Er machte eine Pause.
»Denk darüber nach. Wir werden uns wiedersehen. Beim nächsten Gespräch musst du mir sagen, ob du dich für uns entschieden hast. Unser heutiges Treffen ist zu Ende.«
Ich hörte, wie Stühle rückten. Wie bestimmt ein Dutzend Stimmen flüsterten. Waren wirklich so viele im Raum? Eine Tür links von mir öffnete sich. Ich spürte einen kalten Luftzug. Eine Hand strich mir über meine Glatze, sicher Arne.
Jemand drückte mir einen vertrauten Gegenstand in die Hand. »Schalte deine Mobril erst zu Hause wieder ein!«
Das war die Schauspielerin. Ich konnte sie noch immer nicht zuordnen. Ich hörte Schritte, das Verriegeln einer Tür. Totenstille. War der Raum leer?
Über mir öffnete sich die Decke, Licht drang ein, ich sah die Stufen. Ich hielt mir die Hand vor die Augen und stapfte benommen nach oben.
Das Scannen
»Mobril. Kontakt. Sicherheits-Scanner.«
Das sagte ich nicht. Ich kontaktierte sie nicht. Ich konnte es nicht. Nicht wegen Arne, nicht wegen des Schriftstellers, nicht wegen der Buchagentin. Sondern wegen der alten Frauenstimme.
Kaum hatte ich den Keller neben dem Baby Q verlassen, konnte ich sie endlich zuordnen. Die Frau, die in diesem dunklen Loch zu mir gesprochen hatte. Die Frau, die mir meine Mobril in die Hand gedrückt hatte. Ich kannte sie nicht aus Mobril-Filmen oder dem Animator. Ich kannte sie aus Uni-Zeiten. Es war meine alte Lehrmeisterin. Die auf einmal spurlos verschwundene Professorin.
Das machte alles noch komplizierter. Viel komplizierter. Keine Ahnung, wieso sie Mitglied dieser Organisation war. Aber hinter Gittern hatte sie nichts zu suchen. Ich wollte über dieses Treffen schweigen. Für immer. Und nur für sie. So schwer mir das bei 500000 fiel.
»287 verpasste Kontaktversuche« meldete die Mobril, als ich am frühen Nachmittag wieder zu Hause eintraf und sie mir aufsetzte. 252 aus meiner Freunde-Liste (ausschließlich Weiterleitungen von persönlichen Mobril-Szenen »an alle Freunde«), fünf waren von Jojo, 30-mal hatte der Mobril-Service versucht, mich zu erreichen. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Der Mobril-Service und der Werbevertrag!
Mir blieb nur eine Alternative. Ich musste schummeln. »Mobril. Kontakt. Mobril-Service.«
»Wie heißt der beste Animator-Schocker aller Zeiten?«, fragte mich eine rauchige Stimme. Es gab Tausende, und sowieso wollte die Stimme nur den Titel hören, der heute früh in der Werbung gelaufen war. Chancenlos.
»Weiter«, sagte ich.
»In welchem Club des 12. Quartiers kannst du drei Tage und Nächte durchfeiern?«
»Baby Q«, rief ich. Das lag in der C-Zone. Aber vielleicht hatte ich ausnahmsweise Glück, und es gab mehrere davon.
»Wo findest du eine Lebensgefährtin, die wirklich zu dir passt?«
Die Frage nervte. Ich hätte in meinem Profil nichts von meinem Single-Dasein sagen sollen. Erstaunlich viele attraktive Frauen in meinem Alter und mit meinen Interessen wollten mich seitdem kennenlernen. Manchmal antwortete ich auf die viel zu teuren Anzeigen und landete immer bei Vermittlungsagenturen, die noch viel teurer waren. Spätestens da machte ich einen Rückzieher.
»Superpartner sofort«, versuchte ich es.
Die Mobril-Stimme ermahnte mich. Der Schocker heiße Die Mumie 28. Baby Q existiere »nirgends in der Stadt!«. Richtig wäre gewesen: Bergschein-Club. Nur mit Superpartner sofort hatte ich recht.
Ich entschuldigte mich beim Mobril-Service und erhielt eine Verwarnung. Bei drei Verwarnungen flog man aus dem Werbeprogramm und musste die vollen Mobril-Gebühren zahlen. Ich gelobte dem digitalen Ansager Besserung. Das Problem war vom Tisch. Vorerst.
Mit Jojo war es schwieriger. Ich hörte mir seine Vorwürfe an. Wie unzuverlässig ich sei. Welche Sorgen er sich gemacht hatte. »Wie kannst du für einen halben Tag unerreichbar
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