Die Scanner
sein?«
Ich lud ihn auf ein spätes Mittagessen in sein Lieblingsrestaurant ein (Morena, spanische Aroma-Küche, drittes Quartier). Er kriegte sich endlich wieder ein. Und er tat bei rot gefärbtem Wasser im Weinglas und Tapas-Ersatz das, was er in letzter Zeit ständig machte. Er schwärmte von Melli.
»Im Park heute hat sie mir erzählt, dass sie noch nie so verknallt war.«
»Jojo, sie war nicht mit dir im Park. Sie hat dir aus einer sehr, sehr fernen Stadt zugeschaut.«
Ich ertrug seine rosaroten Ausführungen nicht. Solange meine einzigen Bekanntschaften die Profile von Superpartner sofort waren, wollte ich nichts davon hören. Ich wollte über etwas anderes reden, und momentan beschäftigte mich nur ein Thema.
»Weißt du, was Buchagenten früher gemacht haben?«, fragte ich.
»Melli will mich morgen ihren Eltern vorstellen. Wir machen eine Mobril-Konferenz zum Abendessen.«
»Buchagenten haben früher Autoren betreut. Also quasi irgendwie Verlage für sie gesucht.«
»Das ist schon etwas Besonderes. Ihre Eltern kennenzulernen. Du weißt ja, wie streng die sind.«
»Und die Verlage haben das Buch dann gedruckt.«
»Obwohl wir beim Finanzcheck ein A plus erhalten haben …«
»Und es gab echte Übersetzer. Also irgendwie haben die das wohl besser gemacht als die automatische Übersetzung.«
»… und der Gen-Eignungstest! Nur 0,3 Prozent Abweichung vom Normwert!«
»Proteste fanden an Real-Orten statt.«
»Meine Eltern kennen Melli ja schon. Sollen sie sich trotzdem morgen einschalten?«
»Heute sind die alle pleite oder tot. Also die Buchleute.«
»Egal wie das wird morgen. Ich bin total verknallt in Melli.«
Ich zahlte.
Wir gingen vom Morena direkt in die benachbarte Parkhalle. Wir zeigten der Polizei unsere Scan-AG-Ausweise und drückten den Finger auf das Drehkreuz. Ultranetz sponserte die Parks, und daher hatten wir Mitarbeiter jederzeit Zutritt. Aber nur zum Arbeiten. Eigentlich durften Erwachsene nur einen Tag im Monat in die Parkhalle, Kinder einen halben.
»Schaue mir das Grünzeug lieber über die Mobril an«, spottete mein Vater.
Und meine Mutter ließ sich abends die Aufnahmen live aus dem Park vom Animator ins Schlafzimmer projizieren. Eine feine Brise Kieferduft wehte dann aus dem Gerät.
Der Park selbst war trotz der strengen Einlassregeln total überfüllt. Tag und Nacht, egal in welcher der riesigen Themenhallen wir unseren Job erledigten. Um von einer zur anderen Seite zu gelangen, brauchten wir pro Gebiet eine gute Stunde.
»Bin für Sonne und Sand. Unter den Sonnenschirmen haben wir bis jetzt die meisten Leser gefunden«, sagte Jojo.
»Nee, ist mir zu heiß. Lass uns mal in den Wander-Wald gehen.«
»Da war ich heute zwei Stunden mit Melli.«
»Melli war nicht dabei, sie hat dir zugesehen. Kapier das doch endlich.«
Keine Reaktion.
»Dann nehmen wir die Seenlandschaft, okay?«
Jojo nickte.
Wir fuhren in einem Parkgleiter zu der Themenhalle. Heute 18 bis 24 Uhr: Forellen-Angeln , leuchtete am Eingang auf.
»Na, also. Da ist was los.« Jojo freute sich.
Wir spazierten am Ufer entlang und hielten nach Lesern Ausschau. Die untergehende Sonne sah wie das aus, was es war: eine Animation. Bei so großen Flächen wirkte selbst der Extra-Animator nicht überzeugend. Es störte uns aber nicht. Solange man die Halle noch nicht abdunkelte, konnte gelesen werden.
»In der C-Zone gibt es keine Parks«, dachte ich laut nach.
»Woher weißt du das?«
Ich sagte nichts. Jojo störte das nicht, er machte für mich weiter.
»In der C-Zone gibt es so gut wie kein Ultranetz. Stell dir das mal vor, da bist du total von der Außenwelt abgeschnitten.«
»Wie das?«, fragte ich.
»Auf Ultranetz gesehen! Die Kabel werden aus den Wänden gerissen, eingeschmolzen. Und das Metall als Rohstoff verkauft. Über Nacht verschwinden da manchmal die Leitungen eines kompletten Quartiers.«
»Aber die alten Leute tragen doch eine Mobril«, entgegnete ich.
»Selbst wenn, damit können sie in manchen Quartieren nichts machen. Außer im Umkreis von einigen Hundert Metern senden und empfangen.«
Das Leben in der C-Zone erschien mir immer trostloser. Keine Parkhalle, schlechter Mobril-Empfang, nur Nador bis zum Umfallen.
Jojo stellte sich vor mich hin und überkreuzte die Arme. »Du warst in der C-Zone und du hast Arne Bergmann getroffen. Stimmt’s?«
Ich machte einen Schritt nach links und ging an ihm vorbei. Denn auf einer Bank am See sah ich das, worauf wir seit Tagen warteten. Einen
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