Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
Vom Netzwerk:
mussten sowieso dorthin. Jojo und ich brauchten für die nächste Suche nach Lesern neues Bargeld. Davon hatte Ultranetz offensichtlich endlos viel. Unter uns Buchagenten gab es den dazu passenden Witz. »Was macht die Scan AG mit den vielen Büchern?« Die Antwort: »Das Papier wird zu Falschgeld verarbeitet.«
    Ich hatte mich lange gefragt, was der Konzern mit dem ganzen Papier tatsächlich anstellte. Eine Antwort erhielt ich im Fortgeschrittenen-Seminar ( Hintergründe und Scan-AG-Altwissen ) von Nomos. »Der Konzern hat es anfangs den Schulen der Zonenverwaltung geschenkt. Das war noch zu Print-Zeiten. Und das war vor der Einführung des papierfreien Mobril-Unterrichts.«
    »Und heute?«, fragte einer, der viel fragte und inzwischen in der C-Zone lebt.
    »Wird es verheizt«, antwortete Nomos.
    Jojo und ich erinnerten uns nicht an Print-Zeiten. Das war frühe Kindheit. Wir lernten als Schüler mit der Mobril Vokabeln, diktierten dem Gerät unsere Aufsätze und mathematischen Formeln. Jeder Schulpflichtige brauchte bald so eine Brille zur Einschulung.
    »Ein Deal zwischen Zonenverwaltung und Ultranetz legte das fest«, erklärte Nomos im Seminar weiter. Er rieb sich dabei die Hände, und ich ahnte, wie viel Geld der Konzern damit verdient haben musste.
    Richtig so! Dachte ich damals. Konzerne müssen Geld verdienen. Dazu sind sie doch da. Das habe ich sogar noch bei meinem Tech-Kurs ohne Mobril gelernt, mit der Computertastatur vor der Nase. Damit mussten wir eine Schulstunde pro Woche tippen. Mit der Tastatur!!! »Eine alte Kulturtechnik«, erklärte uns der Lehrer.
    Hätte die Konzernleitung von Ultranetz nicht ständig so gute Ideen gehabt, hätten sie nicht so viele Mitarbeiter anstellen können. Und ich wäre längst ein C-Zonler wie der Vielfrager. Wir profitierten also von jeder genialen Neuentwicklung unseres Konzerns.
    Hemingway war weggescannt. Ich schaute zufrieden das Buch an und überreichte es Jojo. »Bringst du es so spät noch zu Nomos?«
    »Mach ich.«
    Das Büro lag für ihn auf dem Weg. Bis zum festen Handschlag an der Tür des Metro-Gleiters hielt die Zufriedenheit an.
    »Also, bis morgen früh«, sagte Jojo.
    »Wieso? Wir wollen doch erst um zwölf die nächste Suche starten.«
    »Morgen ist Gruppentreffen, schon vergessen?«
    Jojos Hinweis brachte mich von null auf tausend. Klar. Morgen. Gruppentreffen. Wie jeden Monat. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich stieg mit flauem Magen aus. Wie immer nach der Metro-Gleiterei. Dieses Mal lag es aber nicht nur an den vielen Kurven.
    Jojo sauste noch drei Stationen weiter. Ich setzte die Mobril auf, wollte in meinem Kalender nach einer Ausrede suchen. So weit kam ich nicht. Meine Brille blinkte blau. Acht Uhr abends. Sie war gesperrt. Meine zweite Verwarnung. Ich musste noch die verpassten Werbespots des Abends anschauen. Ich lehnte mich an eine Mülltonne gleich neben der Haltestelle.
    Mein Profil bei Ultranetz war um weitere Details reicher. Meinem Finger auf dem Park-Drehkreuz und dem Zahlungsempfänger im Fischkutter sei Dank. Ich war gespannt, welche Werbung Ultranetz für mich generierte.
    »Sie lieben das Wasser und das Abenteuer? Water Man 17 – jetzt über Ultranetz für Ihren Animator.«
    Zwei Sekunden schwarz.
    »Vollmond am See? Du magst es romantisch! Lucy ist so jung wie du, und sie wohnt in deinem Quartier. Sie will dich kennenlernen. Sag ja, und treffe sie noch heute. Sag nein, wenn du es dir noch einmal überlegen willst und wir dich morgen erneut kontaktieren dürfen.«

Die Radikalen
    Nomos wollte mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich sah ihn schon vor mir. Im grauen Anzug. Dem blauen Hemd. Der roten Krawatte. Den schwarzen Lederschuhen. Genau das trug er immer. Und die Mobril setzte er nie ab. Monatstreffen für Monatstreffen.
    Das mit der Mobril war das Komischste überhaupt. Wir Buchagenten durften sie ja bei der Suche nie aufsetzen. Wir boykottierten unseren eigenen Konzern.
    »Manche Leser hassen Mobrils«, sagte Nomos. »Mit so einem Gerät auf dem Kopf holt doch niemand vor euch sein Buch raus. Der Überraschungseffekt, der zählt!«
    Natürlich war das eine totale Vereinfachung der Lage, eine Schwarz-Weiß-Animiererei. Es gab genauso wenig den Leser wie den Mobril-Nutzer. Das ahnten wir alle in solchen Seminaren. Aber gut, was sollten wir einfachen Buchagenten Nomos widersprechen.
    Ich trug am Tag des Gruppentreffens blaue Jeans und ein schwarzes Hemd mit einem grauen Fleck unter der linken Brust. Was ich bis dahin nicht wusste

Weitere Kostenlose Bücher