Die Scanner
Mit Jojos Animator sah das so aus, als würde er unmittelbar vor mir stehen und mir persönlich drohen.
»Ultranetz wird alles tun, damit die Zonenregierung die Drahtzieher der Anschläge so schnell wie möglich ihrer gerechten Strafe zuführt. In diesem Augenblick beraten Mitarbeiter unserer Elite-Abteilung die Regierung. Das Gute wird über das Böse siegen.«
Jojo schwärmte noch den ganzen Tag von diesen markigen Sätzen.
»Die Sicherheits-Scanner werden es den Terroristen zeigen!«, sagte er.
»Wir machen sie fertig!«
Und immer wieder wiederholte er: »Das Gute wird über das Böse siegen!«
Jojo war jetzt richtig stolz darauf, ein Mitarbeiter von Ultranetz zu sein. Ich auch. Irgendwie. Aber ich war auch ziemlich verwirrt. Kurz, wirklich nur ganz kurz hatte ich ein klein wenig Interesse an Arne Bergmann und seiner Büchergilde gehabt. Irgendetwas Wahres musste doch dran sein an dem, was meine alte Professorin gesagt hatte. In den Univorlesungen hatte sie mich schließlich oft auf neue Ideen gebracht.
»Es gibt nicht nur den Blick nach links und nach rechts. Du musst schielen lernen«, hatte sie mir mal nach einer Altwissen-Stunde über das Zeitalter der Finanzkrisen gesagt. Der Anschlag mit der E-Bombe änderte meine Meinung allerdings grundlegend. Damit waren meine Professorin und ihre Organisation eindeutig zu weit gegangen!
Unsere Wohnung im achten Quartier blieb von der E-Bombe zum Glück verschont. Nur meine Mobril musste ich noch updaten lassen. Sie hatte es ja im fünften Quartier erwischt.
Bei dem Mobril-Laden um die Ecke verlängerte ich mit einem Fingerdruck meinen Vertrag und erhielt ein winziges Ersatzteil. Die Verkäuferin strahlte mich mit ihrem Ich-hab-ein-super-Angebot-für-dich-Lächeln an.
»Ab jetzt kannst du mit der Mobril auch zahlen!«, sagte sie. Ich schaute vermutlich etwas verwundert. Was sollte das für ein Vorteil sein? Ich hatte meine Finger ja auch immer dabei. Praktischer ging es nicht. Dachte ich. Und irrte mich natürlich.
»Keine umständliche Zahlung mehr mit dem Finger!«, erklärte sie.
»Aber …«
»Die Mobril erkennt dein Auge, und das reicht ab jetzt!«
Ich nickte nachdenklich.
»Doch …«
»Und viel hygienischer.«
»Vielleicht denke ich erst noch einmal …«
»Nie wieder fremde Zahlungsempfänger berühren!«
»Ist das nicht gefährlich für das Aug…«
»Keine Viren einfangen!«
»Schon, aber …«
»Gesund bleiben!«
Wer wollte das nicht? Nur drei Prozent der Umsätze verlangte Ultranetz für den neuen Service als Gebühr.
»Das ist dir deine Gesundheit doch wert, oder?«
»Klar!«, antwortete ich.
Ich hatte den Laden schon verlassen, als mir die Verkäuferin auf der Straße nachlief.
»Rob!«
Ich drehte mich um.
»Und was ist mit der Gesundheit deiner Eltern?«
»Ich sag ihnen gleich Bescheid.«
»Sie könnten unverbindlich ein Jahr lang testen!«
»Bin gleich zu Hause …«
Ich verschwand hinter einem Eckhaus und beeilte mich.
Mzzzp. Meine Mobril leuchtete auf, und die Verkäuferin sprach mit mir.
»Du kannst das Testangebot jetzt gleich an deine ganze Freundeliste senden. Und du darfst ihnen ausdrücklich das tolle Ultranetz-Angebot empfehlen.«
»Nein!«, sagte ich. Doch mein Auge war schneller.
»Deine 8500 Freunde und 650 beste Freunde mit Premium-Status haben dein super Testangebot von Ultranetz erhalten!«, sagte die Verkäuferin.
Ich konnte nicht schlafen und schaute die Sondersendung an. Sie lief noch immer auf allen Kanälen. Der Animator projizierte eine langweilige Live-Übertragung von der nächtlichen Eil-Sitzung der Zonenverwaltung. Ich setzte die Mobril auf und schaute mir eine alte Ausgabe meiner Lieblings-Quizshow an: Wer wird A-Zonler? Der schlanke Moderator mit dem gestreiften Anzug fragte in der Kategorie wichtiges Allgemeinwissen ein Dutzend B- und C-Zonler ab.
»In welcher Folge von Verliebt in Jonas heiratet Jana den Arbeitskollegen von Steves bestem Freund?« Die vorgegebenen Antworten waren: »A: 350. Folge«, »B: 870. Folge« oder »C: 1200. Folge«. Ich tippte auf »C« und lag falsch.
Die Fragerunde in meiner Mobril war vorbei und die Sondersitzung zu Ende. Der Parlamentssaal löste sich in meinem Zimmer auf. Die Sprecherin der Zonenregierung trat vor mich und strahlte. Sie roch nach einem blumigen, aber dezenten Parfum.
Ich erkannte sie und den Duft sofort wieder. Sie hatte vor zwei Jahren noch als Kommunikations-Chefin bei der Scan AG gearbeitet. Wir waren einmal im Lift
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