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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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auf dem Beifahrersitz. Ich schaute aus dem Fenster.
    »Fahren wir wieder ein paar Stunden im Kreis, bevor Sie mich im Baby Q absetzen?«, fragte ich. »Bin total pleite, Sie sollten ’ne Abkürzung nehmen.«
    Er drehte sich auf dem Lenkrad eine Zigarette. Befeuchtete das dünne Papier mit den Lippen. Bis zum Beifahrersitz roch es nach Nador.
    »Baby Q war vorgestern. Arne will dich woanders haben«, sagte der Taxifahrer.
    Er gehörte also zur Büchergilde. Und er hatte mich bei der ersten Fahrt nur zum Narren gehalten. Fast gewöhnte ich mich schon daran. Alle hielten mich zum Narren.
    Baby Q war sicher nur eine von vielen Adressen der Organisation. Ich wollte endlich in die Basis vordringen. Nach einer Stunde Irrfahrt hielt der Taxifahrer vor einem Autolift an einer vierstöckigen Kreuzung.
    Zwei Minuten Wartephase. Bitte Geduld. Lift kommt , blinkte es rot auf unserer Frontscheibe.
    »Okay, das war’s. Die Fahrt geht aufs Haus«, sagte der Taxifahrer.
    »Die letzte Fahrt war ja auch teuer genug!« Zu bedanken brauchte ich mich nicht.
    »Schau mal auf deinem Konto nach«, sagte er. »Wurde nichts abgebucht das letzte Mal. Weder das Sunshine Café noch ich. Sollst nicht überall eine Spur mit deinem Finger hinterlassen.«
    »Zahle ab jetzt sowieso …«
    »… mit dem Auge. Weiß ich. Spur bleibt Spur.«
    Tja, wo er recht hatte …
    »Siehst du da drüben die Rikscha?«, fragte er mich.
    »Die was?«
    »Den Dreisitzer! Die Fahrerin gehört nicht zu uns. Sag ihr, du willst zum Seniorenlager Ost-Hafen.«
    Er überreichte mir einen Zehner, und ich stieg aus.
    »Zahl in bar, okay?«
    »Okay, aber …«
    Die Frontscheibe leuchtete grün. Er sauste in den Lift. Ich blieb am Straßenrand zurück.
    Ich habe noch nie in einer Rikscha gesessen. In der A- und B-Zone waren die motorisierten, dreirädrigen Dreisitzer nicht zugelassen. Die aus Metallschrott zusammengeflickte Kiste hatte ein Dach im hinteren Teil. Die Fahrerin saß im Freien und rief mir »festhalten« zu. Wäre nicht nötig gewesen. Ich umschloss die rostigen Stangen vor mir bereits fest mit den Händen und ließ mich von links nach rechts schleudern.
    Wir bogen von der Hauptstraße sofort in ein Labyrinth kleiner Gassen. Wir rasten durch hohe Betonschluchten, in denen die Fahrerin ihre Finger weder vom Gasgriff noch von der Hupe nahm. Die Rikscha war maßgerecht für die schmalen Wege gebaut.
    Tief in den grauen Mauern waren höhlenartige, kleine Geschäfte. Ich sah Bars, Apotheken, Supermärkte und wunderte mich, wie weit man mit so einer Rikscha für einen Zehner kommen konnte.
    Die Fahrerin machte eine Vollbremsung. Ich rammte mit meinem Kopf in ihren Rücken und entschuldigte mich. Ein Rentner in zerlumpten Kleidern stand mit zwei Kannen unter dem Arm am Straßenrand.
    »Tee oder Kaffee?«, fragte mich die Fahrerin.
    Sie reichte mir einen Plastikbecher und drückte einen Finger auf den mobilen Zahlungsempfänger. Er hing über der löchrigen Weste des Verkäufers. Sie beschleunigte ohne Vorwarnung, und das dunkle, heiße Wasser schwappte über mein Hemd. Ich schrie auf vor Schmerz.
    Wir fuhren an einem Mobril-Laden vorbei, und ich dachte an Jojo. An diesem Vormittag hatte ich ihn nicht anlügen müssen. Er hatte mich noch in der Nacht kontaktiert und wollte unsere Verabredung für die tägliche Lesersuche auf den Nachmittag verschieben.
    »Stress mit Melli«, sagte er und leitete mir einen Link zur Mobril-Sequenz ihres Streits weiter. Er nannte es »Jojos Beziehungskrise – TIPPS GEFRAGT!« und hoffte auf kluge Teilnehmer-Kommentare.
    »Der Finanzcheck fiel negativ aus!«, hörte ich Melli sagen.
    »Der war positiv! Super positiv! A plus«, antwortete Jojo.
    »Meine Eltern haben nach dem Anschlag einen neuen durchgeführt. Du bist auf A minus. Tendenz sinkend.«
    »Ultranetz packt das! Der Anschlag gefährdet weder den Konzern noch meinen Job. Das Gute wird über das Böse siegen!«
    »Den Text hast du kopiert! Lief auf allen Kanälen. Schon vergessen?«
    »Und nun?«
    »Mir ist der Finanzcheck egal. Aber meine Eltern wollen auf Nummer sicher gehen.«
    »Also vorerst keine gemeinsame Mobril-Konferenz mit ihnen?«
    »Ja.«
    »Gehen wir heute trotzdem in den Park?«, fragte Jojo.
    Fünf Sekunden Pause.
    »Ja.«
    »Hab dich lieb!«
    »Ich weiß«, sagte Melli.
    Die Beziehungskrise hatte schon 43438 Zuschauer. Die Kategorie Herz & Schmerz war eine der beliebtesten. Jojo schaffte es mit dieser Zuschauerzahl, dass ich nun auch auf seine Beziehungskrise

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