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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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Quartier?«, jammerte Jojo.
    Wir hörten der Moderatorin zu.
    »Somit hat es auch die Metro-Gleiter-Energiestation und die Zentrale der Scan AG getroffen. Inzwischen erreichen erste Zuschauer aus anderen Quartieren den Ort. Was Sie jetzt sehen, ist live von deren Mobrils. Schalten Sie bitte auf öffentlichen Empfang, wenn Sie auch dort sind.«
    Auf einer der achtspurigen Straßen des Quartiers leuchteten Dutzende Blaulichter. Sirenen heulten aus den Boxen des Animators durch Jojos Zimmer.
    Schnitt.
    Zusammengestoßene Fahrzeuge qualmten. Aus dem Animator strömte Rauch und Wärme.
    Schnitt.
    Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde in ihren blauen Uniformen trugen Verletzte in ein Krankenhaus. In Jojos Zimmer roch es kurz nach Äther.
    Schnitt.
    Eine scheinbar nicht enden wollende Warteschlange vor einem der vielen Mobril-Geschäfte.
    Schnitt.
    Eine Gruppe von etwa 20 Frauen und Männern vor dem Quartierssitz der Zonenverwaltung. Die Leute saßen mit bunten Kostümen im Schneidersitz im Kreis. Eine Frau mit einem langen, gelben Kleid kniete in der Mitte. Sie warf Kopf und Oberkörper zu Boden. Auf und ab, immer wieder.
    Die haben gerade noch gefehlt, dachte ich. Eine der Anti-Techs, der Natursekten, die in jeder Ultranetz-Störung ein Zeichen Gottes sahen.
    Die Nachrichtensprecherin stand wieder vor uns. Mit noch ernsterer Miene. »Nach dem aktuellen Stand müssen wir davon ausgehen, dass es sich um einen terroristischen Anschlag gehandelt hat. Nach Informationen unserer Redaktion verursachte eine Elektrobombe das Chaos.«
    Jojo schrie auf. »Was hab ich gesagt? Waaaaaaas? Genau das war es. So eine E-Bombe zerhaut dir die Elektronik im Umkreis von ein paar Kilometern. Sogar die Polizei kann dann ihre E-Pistolen wegwerfen.«
    Bevor er mich mit technischen Details quälen konnte, setzte die Sprecherin ihre Ansage fort. »Unsere Redaktion erreichte vor ein paar Minuten eine Bekenner-Animation. Wir werden diese Animation gleich übertragen, weisen Sie jedoch darauf hin, dass sie für Kinder und Jugendliche nicht geeignet ist. Bitte bestätigen Sie uns Ihre Volljährigkeit.«
    Jojo sprang auf, machte zwei große Schritte zum Animator und drückte einen Finger auf die Konsole.
    Ich traute meinen Augen nicht. Ein riesiges verstaubtes Buch schwebte im Raum. Ich erkannte die Animation sofort. Die alte Hand, die darin blätterte. Kurz dachte ich sogar, mein Bild würde gleich auf der Doppelseite im Buch auftauchen und brennen. Doch dieses Mal war nicht ich das Opfer, sondern Ansgar Meilner, der Konzernvorsitzende von Ultranetz.
    Ich wusste, wie die Animation weitergehen würde. Als die Buchränder glühten und Feuer fingen, schloss ich die Augen. Spürte aber die Hitze im Raum, hörte Ansgar Meilners schmerzhafte Schreie und hielt mir die Ohren zu.
    Das durfte doch alles nicht wahr sein! Das war unmöglich. Erst dieser Anschlag und nun die Animation. Und ich kannte den Absender! Ich kannte die Personen, die hinter dem Anschlag steckten. Ich hatte mit den Terroristen ahnungslos in einem dunklen Geheimkeller gesessen. Sie machten einen auf Weltretter und wollten mich aufklären. Von wegen Seniorenclub! Das waren eiskalte Terroristen.
    Jojo warf mir einen Meter zusammengerolltes Kabel ins Gesicht. Ich öffnete wieder die Augen und sah die leeren Regale, die der Animator überall in Jojos Zimmer projizierte. Die rauchige Männerstimme war die gleiche wie damals. Nun verursachte sie eine Gänsehaut auf meinem Rücken. »Wer Bücher scannt, löscht deine Vergangenheit und deine Zukunft.« Eine weiße Feder leuchtete im Raum auf, ich sah die aufgedruckten Buchstaben: B und G .
    »Büchergilde«, sagte ich leise.
    Die Nachrichtensprecherin interviewte einen Mitarbeiter der Scan AG. Er war wegen einer anderen Sendung ganz zufällig in Studionähe. Jojo ließ im Schnelllauf die ersten 160 der 5400 Programme projizieren. Überall lief das gleiche Interview, alle übertrugen die Sondersendung.
    Der Mann aus unserem Konzern trug wie Nomos einen grauen Anzug und ein blaues Hemd mit roter Krawatte. »Ich habe soeben mit der Konzernleitung gesprochen. Alle Daten auf Ultranetz sind wiederhergestellt«, sagte er.
    Die defekten Mobrils könnten kostenlos zur Reparatur gegeben werden. »Nur eine Vertragsverlängerung von sechs Jahren ist dazu notwendig«, erklärte er.
    Eine großzügige und schnelle Entscheidung, fand ich. Von wegen Konzerne wollen immer nur Geld verdienen.
    Der Mann im grauen Anzug war noch nicht fertig. Er blickte uns direkt an.

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