Die Schafgäääng: Lamm über Bord! (German Edition)
spüren. Platsch! Ihr Kopf und die Schultern tauchten ein. Allerdings nur eine kurze Sekunde.
Boing! Das Gummiseil hatte seine äußerste Dehnbarkeit erreicht. Es wurde ganz straff. Dann schnellte es zurück und katapultierte seine festgeklammerte Fracht wieder in Richtung Turmspitze.
Oben auf dem Turm war Alice nach wie vor wie versteinert vor Angst. Sie schwankte benommen am Rand der Plattform und hielt sich mit einer Hand am Schutzgeländer fest.
»Kommen Sie von der Kante weg!«, schrie die nervöse Sprungleiterin und versuchte, die taumelnde Alice zu packen. »Machen Sie einen Schritt zurück!«
Aber Alice reagierte nicht. Als Sally erneut an der Plattform vorbei in die Höhe schoss, glitt ihre Hand, die das Geländer umklammert hatte, plötzlich ab und sie kippte vorneüber.
Die vier Krieger, die mit dem Kopf nach oben an dem Seil hingen – Oxo, Linx, Jasmine und Will – sahen flüchtig Alices hektisch tastende Hand, als sie erneut in die Tiefe stürzten. Dann spürten sie einen Ruck: Alice hatte das Gummiseil genau über ihren Köpfen zu fassen bekommen.
Der gellende Schrei, den Alice ausstieß, war so laut, dass selbst Dalia ihn hörte, die den Kopf aus dem Fenster des Schlafsaals reckte und versuchte, den Turm zu erspähen.
Einen Moment lang ruderte Alice mit der freien Hand wild in der Luft, bevor es ihr gelang, den Arm herumzureißen und sich mit dieser Hand ebenfalls festzuhalten. Sie spürte das Bungee-Seil an ihrem Bein und klemmte es zwischen die Knie. Laut kreischend sah sie den Fluss auf sie alle zurasen.
Will gelang es, einen kurzen Blick nach oben zu werfen. »Das ist die Feedingsda!«, schrie er den übrigen Kriegern unter sich zu. »Vielleicht ist sie gekommen, um …«
Er konnte den Satz nicht beenden. Unter Alices zusätzlichem Gewicht dehnte sich das Gummiseil noch weiter. Sally holte tief Luft und schloss die Augen, darauf gefasst, abermals kopfüber einzutauchen. Doch unvermittelt verlagerte sich ihre Aufmerksamkeit vom Kopf zu den Hufen. Sie konnte die Knöchel ihrer Hinterbeine auf einmal bewegen. Die Manschetten waren für Menschen konzipiert, deren Füße wie Haken unten an den Beinen herausragten. Sally war aber ein Schaf mit schmalen Knöcheln und kleinen Hufen. Und die rutschten jetzt aus der gepolsterten Halterung. Schlagartig begriff sie, dass diesmal mehr als nur ein kurzer Tauchgang auf sie wartete. Nur wenige Meter über der Wasseroberfläche glitten ihre Hufe endgültig aus den Manschetten. Mit Wucht klatschte sie ins Wasser und sank wie ein Stein.
Boing! Boing! Boing! Ohne Sallys Gewicht schnalzte das Seil wieder in die Höhe, federte und peitschte wild hin und her. Die übrigen Krieger wurden abgeschüttelt und landeten panisch blökend im Fluss, sodass das Wasser hoch aufspritzte.
Das Bungee-Seil, an das sich allein eine verzweifelte Alice Barton klammerte, schoss wieder in Richtung Himmel.
»AchduliebeSallyachduliebeSallyachduliebeSally …«, brabbelte Jasmine und paddelte heftig, um den Kopf über Wasser zu halten. Da tauchte neben ihr plötzlich Sallys Gesicht auf.
»Keine Panik, Liebes«, keuchte sie, während sie prustend das Wasser aus ihren Nasenlöchern blies und die Tropfen aus den Augen zwinkerte. »Alles ist gut …«
»Einer für fünf und fünf an Land …«, brüllte Oxo und strebte in Richtung Ufer.
Hoch über ihren Köpfen hatte Alice nur noch ihre Finger krampfhaft in das Seil gekrallt. Ihre Knie waren abgerutscht und so zuckte sie wie ein Frosch mit den Beinen auf und ab, bei dem Versuch wieder Halt zu finden. Sie kreischte nicht mehr, aber ihr Mund war in stummem Entsetzen noch immer weit aufgerissen.
Und eine Sekunde später war es vorbei.
Mit einem letzten spitzen Schrei entglitt auch Alice das Seil und sie landete mit einem lauten Bauchklatscher im Wasser.
Am Ufer hatten Shelly und ein Grüppchen Schaulustiger entsetzt die Ereignisse verfolgt. Ihre Blicke flogen zwischen Alice und den Schafen hin und her. Jetzt beobachteten sie, wie ein Rettungsboot vom Ufer aus losbrauste und Alice aus dem Wasser fischte.
Wie ein Fisch, der gerade vom Haken genommen worden war, lag sie zappelnd und nach Luft schnappend auf dem Boden des Boots.
»Für die Tiere ist nicht mehr genug Platz«, brüllte der Mann am Ruder. »Wir müssen noch mal rausfahren, um sie zu holen.«
Die Krieger kamen bei ihren Bemühungen, an Land zu schwimmen, kein Stück voran. Die Strömung war einfach zu stark.
»Am besten hören wir auf zu paddeln«, keuchte Will.
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