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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Seeberg
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hatte. So viel Angst und Sorge, so viel Schmerz.
     
    Eine endgültige Lösung musste her. Dringend.
    In meinem Kopf war diese Lösung schon jetzt vorhanden. Aber es würde nicht leicht werden, sie umzusetzen. Das würde nur möglich sein, wenn alle kooperierten und die Ehepaare Wieland und Sander mir ihr Vertrauen schenken würden. Dafür benötigte ich im Grunde Zeit, die ich nicht wirklich hatte.
    Ich sah, wie belastet die Wielands inzwischen waren. Ich war mir zwar sicher, dass sie alles dafür taten, um Joel nicht spüren zu lassen, wie es ihnen ging, aber Kinder haben nun einmal sehr feine Sensoren, was die Stimmungen ihrer Eltern betrifft. Ich musste davon ausgehen, dass Joel die emotionale Belastung seiner Pflegeeltern nicht oder zumindest nicht mehr lange verborgen blieb.
     
    Ich führte einige lange Gespräche mit Herrn und Frau Sander und auch mit Herrn und Frau Wieland, hielt den zuständigen Richter immer auf dem neuesten Stand und vereinbarte mit ihm, dass er einen Verfahrensbeistand für Joel einsetzen würde. Dieser ist sozusagen der Anwalt des Kindes und vertritt dessen Interessen vor Gericht. In diesem Fall brauchte ich ihn in erster Linie, um noch einen Gegenpol zu der unsäglichen Frau Gruber zu haben, die meine angedachte Lösung höchstwahrscheinlich boykottieren würde.
     
    Ich war sehr glücklich darüber, dass sich Herr Kuben bereit erklärte, die Verfahrensbeistandschaft zu übernehmen. Er war genau der Richtige, um in dem demnächst stattfindenden Gerichtstermin Frau Gruber in Schach zu halten. Daneben freute ich mich einfach, wieder einmal mit ihm zu arbeiten, denn unser letzter gemeinsamer Fall war schon eine Weile her.
     
    Das gemeinsame Gespräch mit allen Beteiligten – außer dem Jugendamt, das ich diesmal ausnahmsweise einfach nicht eingeladen hatte – verlief ausgesprochen positiv. Ich hätte im Anschluss daran am liebsten alle Beteiligten umarmt. Jeder einzelne von ihnen war ein Stück weit über sich hinausgewachsen, und am Ende hatten wir eine Lösung gefunden, die zwar nicht einfach umzusetzen war, aber das Beste für Joel – und daneben auch in gewisser Weise für die Erwachsenen. Obwohl diese sich etwas anderes gewünscht hätten.
     
    Herr und Frau Sander hatten den schwierigsten Part. Sie mussten akzeptieren, dass Joel in seiner Pflegefamilie bleiben würde. Das war umso tragischer, weil die beiden wirklich kompetente Eltern waren. Das versicherte ich ihnen mehrfach. Und auch Herr Kuben sparte nicht mit Lob.
    Wenn Eltern nur noch die Bedürfnisse ihres Kindes im Blick haben und ihre eigenen Wünsche für ihr Kind hintanstellen oder eben aufgeben, dann ist das immer etwas wirklich Großartiges, weil sich darin so viel Liebe widerspiegelt. Wenn das aber bedeutet, dass sie dabei auf ein Zusammenleben mit ihrem Kind verzichten müssen, bleibt leider ein schaler Nachgeschmack.
    Herr und Frau Wieland, die so gerne ein Kind adoptiert hätten, verzichteten auf die Adoption und ließen sich darauf ein, weiterhin »nur« Pflegeeltern zu sein. Sie hatten nach wie vor große Verlustängste, sahen aber auch das Leid der leiblichen Eltern und Joels Recht darauf, diese ebenfalls in sein Leben zu integrieren. Sie sprangen über ihren Schatten und vereinbarten deutlich häufigere Besuchskontakte, die irgendwann auch zu Wochenendaufenthalten von Joel bei seinen leiblichen Eltern werden sollten.
    Dass all das viel Konfliktpotential in sich bergen würde, war klar. Deshalb verständigten wir uns darauf, dass es regelmäßige Termine bei einer Beratungsstelle geben sollte. So könnten Missverständnisse, aufkommende Ängste und berechtigte Sorgen so früh wie möglich mit professioneller Hilfe besprochen und bestenfalls beseitigt werden.
     
    Frau Wieland fasste das Ganze am Ende sehr berührend zusammen: »Also, im Grunde haben wir doch alle etwas gewonnen. Joel kann seine leiblichen Eltern häufiger sehen. Sie (dabei griff sie Frau Sanders und Herrn Sanders Hand) sollen zu seinem Leben gehören und ihn ab jetzt viel häufiger sehen. Und wir beide (sie sah ihren Mann an) können uns sicher bald damit anfreunden und uns für Joel freuen, dass da noch zwei Menschen in seinem Leben sind, die ihn lieben und auf die er sich verlassen kann.«
    Ich habe schon einige Male einen Kloß im Hals gehabt bei Begutachtungen, und es kam auch vor, dass ich mich bemühen musste nicht zu weinen. Das hier war aber das erste Mal, dass es aus Rührung geschah.
    Hätte ich diese Szene in einem Film gesehen,

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