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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Seeberg
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Begründung. Verstehen Sie? Da kann man ja nicht einfach reinschreiben ›Hiermit beantrage ich die elterliche Sorge, weil mich meine Ex so nervt‹. Das geht ja nicht. Meinte zumindest meine Anwältin. Und die muss es ja wissen.«
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, dann haben Sie aber genau das getan, Herr Paal.«
    »Ja. Richtig! Und wissen Sie was? Das hat super gewirkt. Das war die beste Idee, die ich seit langem hatte. Noch besser als die mit dem sich selbst füllenden Bierfass.« Herr Paal lachte dröhnend. »Obwohl das auch eine saugute Idee war! Überlegen Sie mal, ein Bierfass, das nie leer wird. Das ist doch wie im Paradies! Bier für alle und für immer! Warten Sie, das schreib ich auf. Das ist ein toller Werbeslogan.«
    Herr Paal kritzelte seinen Bier-für-immer-Satz auf einen Kassenbon, den er aus der Tasche seiner Jogginghose gefischt hatte.
    Ich war dankbar für die Unterbrechung und versuchte, Herrn Paal wieder zum Thema zurückzuführen.
    »Herr Paal, wegen Ihres Antrags …«
    »Großartig, sag ich Ihnen! Also, wissen Sie, da bin ich wirklich ein bisschen stolz auf mich. Jetzt lässt sie mich nämlich mit dem ganzen Elternabend-Schul-Quatsch in Ruhe.« Herr Paal lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lächelte zufrieden.
    »Das heißt, Sie wollen gar nicht …«
    Herr Paal unterbrach mich. »Die elterliche Sorge? Nee!! Die will ich nicht! Gott bewahre! Das soll mal schön alles so bleiben, wie es ist! Der Junge bleibt bei ihr wohnen und besucht mich ab und zu. Und was das Wichtigste ist: Meine Ex nervt mich nicht mehr mit diesem Kümmer-dich-mal-Gelaber und so ’nem Kram. Und die wird sich jetzt auch gut überlegen, ob sie noch mal bei der Biggi über mich herzieht. Nee, nee … Das lässt die jetzt schön bleiben. Alles bleibt beim Alten, und ich hab wieder meine Ruhe. Herrlich!«
    Am liebsten hätte ich ein Gutachten geschrieben, an dessen Ende die Empfehlung stand, dass Herrn Paal ab sofort die alleinige elterliche Sorge übertragen werden sollte. Vielleicht noch mit einer Auflage, bei keinem Elternabend zu fehlen. Einfach nur um sein dummes Gesicht zu sehen. Und dann hätte ich ihm lachend auf die Schulter geklopft, ihm mit einer pinkfarbenen Plastiktasse zugeprostet und so etwas wie »Spaß muss sein!« oder »Nichts für ungut, gell?« gesagt.
    Ich versuchte Herrn Paal die Problematik seiner Vorgehensweise zu erklären, aber er verfügte weder über Einsicht noch über Selbstkritik.
    »Na, jetzt seien Sie mal nicht so negativ. Ist doch alles kein Problem. Der Marvin bleibt, wo er ist. Ich werde nicht mehr vollgenörgelt von meiner Ex. Und alle sind glücklich! Das nenn ich einen perfekten Plan!«
    Ich gab auf.
    Herr Paal bastelte sich sein eigenes rosarotes Universum mit lustigen Herrn-Paal-Regeln und verschwendete offenbar keinen Gedanken daran, dass man die Dinge möglicherweise auch anders sehen konnte. Im Gegenteil: Er saß hochzufrieden auf seinem Sofa und klopfte sich selbst auf die Schulter. Und wenn ich ehrlich bin, dann beneidete ich ihn in diesem Moment ein kleines bisschen um seine Ignoranz.

Die Insektensammlerin
    Es ist gut, wenn Lehrer aufmerksam sind und etwas unternehmen, wenn sie das Gefühl haben, mit einem Kind stimmt etwas nicht. In vielen Fällen haben Lehrer geholfen, die Lebensverhältnisse von Kindern zum Positiven zu verändern, indem sie über ihren eigenen Schatten gesprungen sind und sich beim Jugendamt gemeldet haben, wenn sie den Eindruck hatten, dass im Zuhause eines Kindes etwas nicht in Ordnung ist.
    Ich bin meistens wirklich froh, dass es derart engagierte Lehrer gibt.
    Im Fall von Margaretha Krüger hatte sich die Klassenlehrerin sogar selbst auf den Weg zum Jugendamt gemacht. Sie war eines Nachmittags dort erschienen und hatte ihre große Sorge bezüglich Margaretha geäußert. Der zuständige Mitarbeiter hatte alles sorgfältig protokolliert und umgehend eine Mitteilung an das Familiengericht geschrieben, in der er forderte, den Eltern von Margaretha die elterliche Sorge zu entziehen.
    Im kurz darauf stattfindenden Gerichtstermin wurde dann beschlossen, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werden solle. Und zwar von mir.
    In der sehr dünnen Gerichtsakte befanden sich die richterliche Frage nach der Erziehungsfähigkeit der Eltern und das Schreiben des Jugendamtes. In diesem hieß es, Margaretha falle durch »geistige Abwesenheit im Unterricht, absurde Ideenäußerungen und fehlende Wettbewerbsgedanken« auf.
    Aha …

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