Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
fünfundzwanzig Terrarien. Soweit ich das erkennen konnte, waren sie alle bewohnt. Von Vogelspinnen.
Ich habe keine Spinnenphobie oder Ähnliches. Ich finde nur Vogelspinnen einfach nicht schön. Man könnte auch sagen, unangenehm. Vor allem in diesen rauhen Mengen.
Sie befanden sich zwar alle in Terrarien. Aber konnte ich mir sicher sein, dass Herr Paal nicht ab und an vergaß, eins der vielen Terrarien zu schließen?
Ich hatte offenbar zu lange auf Herrn Paals Zoo gestarrt, denn er klopfte mir jovial auf die Schulter und brummte: »Na, na, gute Frau. Sie müssen keine Angst haben. Die tun nichts.« Er lachte laut und brüllte: »Die wollen nur spielen! Haaahaha …!«
Oh. Mein. Gott.
»Na, Spaß muss sein, sag ich immer. Hahaha …!«
In meinem Kopf entstand eine »Oh. Mein. Gott.«-Gedankenschleife, auf der sich pinkfarbene Vogelspinnen tummelten. Manche hatten eine Staffelei unter dem Arm und Pinsel in der Hand.
»Setzen Sie sich mal! Ich hab Kaffee gemacht.«
Tatsächlich standen auf dem Couchtisch (hellrotes Plastik) zwei Becher. Der eine trug die Aufschrift »Ich bin aufgestanden und angezogen. Was willst du mehr?«, der andere »Jemand muss den Job ja machen«. Was für eine passende Auswahl. Herr Paal hatte offenbar Humor …
Er verschwand und kam mit einem Tablett (lila) zurück, auf dem sich eine Thermoskanne (weinrot mit lila Punkten) sowie eine Zuckerdose (rosafarben, in Form einer weiblichen Brust) befanden.
Ich hatte das Bedürfnis, für ein paar Sekunden die Augen zu schließen. Aber das tat ich natürlich nicht. Stattdessen bedankte ich mich für den Kaffee.
Und schrie auf.
Etwas Haariges hatte meinen Hals berührt!
Herr Paal lachte sich schlapp und trompetete: »Ich mach mir gleich in die Hose! Hahaha … Das macht die Mausi dauernd! Als hätte ich sie darauf trainiert! Herrlich!« Er wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht. »Das ist immer so komisch, wenn sich die Leute so erschrecken!«
Ja. Irre komisch.
Inzwischen war mir auch klar, dass ich keine Spinne an meinem Hals gespürt hatte, sondern Herrn Paals Katze Mausi.
Ich hätte gern einen großen Schluck Whiskey in meinem Kaffee gehabt. Oder etwas Kaffee in meinen Whiskey.
Hin und wieder denke ich, dass Hausbesuche doch nicht so das Wahre sind … Es gibt vereinzelte Kollegen, die ihre Begutachtungen vollkommen ohne Hausbesuche durchführen. Ich möchte auf diesen zusätzlichen Informationsgewinn im Grunde nicht verzichten, zumal es ja häufig auch um den Zustand der entsprechenden Wohnungen geht. Aber manchmal wäre es doch wünschenswert, einfach im eigenen sauberen Büro zu sitzen und sich an der Abwesenheit von hellroten Plastikmöbeln und Vogelspinnen zu erfreuen. Und jetzt gerade war manchmal.
Herr Paal tätschelte meine Hand. »Sie entschuldigen, ja? Das war aber auch zu lustig gerade. Nichts für ungut, gell?«
Ich zog meine Hand weg, zwang mich zu einem halbwegs freundlichen Lächeln und begann mit der Begutachtung.
Herr Paal hatte bei Gericht einen Antrag auf die alleinige elterliche Sorge für seinen Sohn Marvin gestellt. Laut Schreiben seiner Anwältin hielt er Marvins Mutter für psychisch äußerst labil, zu sehr dem Alkohol zugeneigt und insgesamt nicht dazu in der Lage, den inzwischen elfjährigen Marvin zu erziehen. Der Junge sollte bei ihm leben und seine Mutter an den Wochenenden besuchen.
Ich bat Herrn Paal mir zu schildern, was sechs Jahre nach der Trennung der Anlass für seinen Antrag gewesen sei. Immerhin hatte es zumindest laut Gericht und Jugendamt bislang nie Probleme gegeben.
»Na, weil die mich nervt ohne Ende!«
»Könnten Sie das etwas genauer erklären?«
»Dauernd will sie, dass ich mit zu den Elternsprechtagen komme, oder wie das heißt. Und dann gibt’s da noch so Abendveranstaltungen in der Schule, wo man mit den anderen Eltern rumsitzt und sich langweiliges Gelaber von den Lehrern anhören muss. Da sollte ich dann auch mitkommen. Und all so was. Das nervt ganz schön! Und dann hat sie sich letztens bei der Biggi, also bei meiner Freundin, beschwert, dass ich mich nicht genug um den Jungen kümmern würde. Ja, und da hat’s mir dann gereicht.«
»Und daraufhin haben Sie den Antrag gestellt?«
»Jepp.«
»Weil es Ihnen gereicht hat …?«
»Sie haben’s erfasst, junge Frau.«
»Aber Ihre Anwältin hat erklärt, dass Marvins Mutter wahrscheinlich nicht erziehungsfähig …«
»Jaaaa, das dürfen Sie nicht so eng sehen. Da musste ich ja was sagen als
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