Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
protokollierte.
Verdammt.
Der zweite Begutachtungstermin von Herrn Eckart ist eine der unangenehmsten Erinnerungen meines gesamten Berufslebens. Es kostete mich viel Kraft, professionell zu bleiben und nicht einfach das Haus zu verlassen. Er bedrohte mich immer dann, wenn das Diktiergerät nicht lief, machte dafür aber während der Aufnahme ebenso eindeutige wie unhörbare Gesten, für die ich nachher keine Beweise haben würde außer meiner eigenen Aussage. Er schloss die Augen und tappte mit den Händen an seiner Kaffeetasse herum, als sei er blind, sprach dabei aber weiter, als wäre nichts. Als das Diktiergerät aus war, erkundigte er sich nach meinen Kindern, ob sie wohlauf seien und wie ich mir da so sicher sein könne. Er riet mir mehrfach, doch besser mal in der Schule anzurufen, denn er hätte da so ein Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung sei. Nur ein Gefühl …
Ich blieb äußerlich ruhig, doch in mir schrie es: »Ruf in der Schule an! Deine Kinder! Er hat deinen Kindern was angetan! Warum sitzt du hier! DEINE KINDER !« Doch ich holte mich immer und immer wieder aufs Neue zurück auf den Boden der reinen Fakten. Meine Kinder wussten sowohl von meinem Beruf als auch von der momentanen besonderen Situation. Sie würden niemals mit irgendwem irgendwo hingehen, wurden während der Laufzeit dieses Falls grundsätzlich von mir oder meinem Mann begleitet, und ich hatte auch Nachbarn und andere Personen im Umfeld informiert und gebeten, bitte wachsam zu sein. Ich beschrieb das Auto von Herrn Eckart und den Mann selbst und war mir die meiste Zeit auch sicher, dass er es nicht wirklich wagen würde, seine Drohungen wahr zu machen. Welche Vorteile würde er davon haben? Ganz im Gegenteil, wenn er tatsächlich irgendetwas in der Richtung unternehmen würde, hätte ich etwas Handfestes gegen ihn in der Hand. Ihm ging es ganz sicher nur darum, mich einzuschüchtern, damit ich es nicht wagen würde, ihm den Zugang zu seinem Sohn zu verwehren.
Doch kaum saß ich diesem Mann wieder gegenüber, waren all diese eben noch so klaren Fakten und Erwägungen wie weggewischt, und es kostete mich Unmengen Kraft, auch diese Begutachtung nach furchtbaren drei Monaten endlich, endlich abzuschließen.
Ich setzte mich an den Befund, und am liebsten hätte ich natürlich empfohlen, dass der Junge keinen Kontakt mehr zu diesem Mann haben sollte. Selbst wenn Herr Eckart nach der Sache mit den Kaninchen vielleicht keine offene Gewalt mehr ausüben würde, war er doch dazu in der Lage, psychische Gewalt auszuüben, und es war nicht abzusehen, ob und wie er sein eigenes Kind weiterhin dazu benutzen würde, um die Mutter zu verletzen oder mindestens zu destabilisieren. Trotzdem war er der Vater von Johannes, und es fand sich nichts in meinem Befund, was faktisch und stichhaltig einen Umgangsausschluss rechtfertigen würde. Ich verfluchte die Geschicklichkeit des Mannes und überlegte dann, wie ich dafür sorgen konnte, dass er seine Psychospielchen nicht gegenüber dem Kind würde einsetzen können. Schließlich entschied ich mich für sogenannte begleitete Kontakte zwischen Vater und Sohn. Er würde Johannes nicht alleine treffen dürfen, sondern nur unter Aufsicht einer entsprechend geschulten Fachkraft vom Kinderschutzbund. Diese Person war sozusagen eine laufende Audio-/Videoüberwachung und war noch dazu in der Lage, Situationen zu interpretieren. Insgeheim freute ich mich über die Vorstellung, dass Herr Eckart von nun an mit seinem Sohn nur noch »Mensch ärgere Dich nicht« spielen oder einen Ball über die Wiese kicken würde, während der Herr vom Kinderschutzbund ihn misstrauisch beäugte. Ich hatte da schon eine ganz spezielle Person im Auge und würde alles daransetzen, dass dieser Mann dem ach so gewitzten Herrn Eckart zugeteilt würde. Dirk hatte die Figur eines Kugelstoßers und verfügte über die Ruhe und Gelassenheit eines Gebirgsmassivs. Dabei war er aber ein hervorragender Beobachter und Menschenkenner, dem man nicht so leicht etwas vorspielen würde. Ich hatte Dirk schon ein paar Mal empfohlen und war bei den entsprechenden Nachbegutachtungen immer sehr zufrieden gewesen.
Abschließend empfahl ich dringlich eine Therapie für Herrn Eckart, wohl wissend, dass er diese Empfehlung sicher nicht umsetzen würde, druckte das Gutachten aus und schickte es am nächsten Tag per Einschreiben ans Gericht.
Einerseits war ich erleichtert, es so weit überstanden zu haben. Andererseits hatte ich natürlich Angst
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