Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
vor Herrn Eckarts Reaktion auf das Gutachten und achtete verstärkt darauf, meine Kinder nirgendwo alleine hingehen zu lassen.
Nach Erhalt des schriftlichen Gutachtens machte Herr Eckart dann endlich, endlich einen Fehler. Aufgewühlt von meiner Einschätzung seiner Fähigkeiten als Vater und vielleicht auch maßlos enttäuscht, dass seine Einschüchterungsversuche bei mir nichts bewirkt hatten, schickte er ein wütendes zwanzigseitiges Pamphlet ans Gericht, das voll war mit Anschuldigungen gegen mich, das mutmaßliche Urteil, den Rechtsstaat im Allgemeinen und die Mutter im Besonderen. Und er hatte sich sogar dazu hinreißen lassen, sein Schreiben mit »Das werden Sie bereuen, Frau Sachverständige, dafür werde ich sorgen« zu beenden. Also gab es nun doch etwas, was dafür sprach, dass ein Mann mit seiner Persönlichkeitsstruktur seinen Sohn nicht ohne Aufsicht treffen sollte. Er hatte meine Empfehlung selbst untermauert.
War all das zwar theoretisch hilfreich für ein Urteil im Sinne einer zukünftig erträglichen Situation für den kleinen Johannes und seine Mutter, beruhigte es mich selbst nicht unbedingt. Ich hielt es eher für die Ruhe vor dem Sturm und war zunehmend besorgt um die Sicherheit von Frau Lorenz und ihrem Sohn. Zu allem Überfluss hatte Herr Eckart vor, sich vor Gericht selbst zu vertreten. Das war insofern beunruhigend, als dass er somit keinen Anwalt an seiner Seite hatte, der beruhigend auf ihn hätte einwirken können. Das würde sicher gut laufen.
Der Rechtsverteidiger von Frau Lorenz war erfreulicherweise mein Lieblingsanwalt Herr Kuben. Ich war mir sicher, dass er Herrn Eckart ebenso einschätzen würde wie ich und dass er mein Gutachten richtig zu interpretieren wusste.
In der Verhandlung blieb Herr Eckart dann seltsam ruhig und spielte ganz den verständigen Vater, der nur das Beste für seinen Sohn wollte. Offensichtlich versuchte er, seinen zwanzigseitigen Wutanfall so gut wie möglich vergessen zu machen. Er ging auch mehr als einmal darauf ein, wie unangenehm ihm dies nun sei und dass er meine Kompetenz ja im Grunde gar nicht anzweifeln würde, nur sicherstellen wollte, dass man ihm eine professionelle Sachverständige geschickt hatte, die nicht irgendwelchen Mist über ihn zusammenschreiben und damit ihm und letztlich vor allem seinem armen kleinen Jungen schaden würde, weil man ihm den Zugang zu seinem leiblichen Vater verwehrte.
Mein Lieblingsanwalt blieb die ganze Zeit über seltsam still, nickte immer und immer wieder und bestärkte Herrn Eckart in dem Glauben, dass es für ihn ganz glänzend lief.
Ich war irritiert. Fiel Herr Kuben tatsächlich auf dieses Schmierentheater rein? Das konnte nicht sein! Aber was war hier los? Ich war mir sicher gewesen, dass Herr Kuben mein Gutachten garantiert richtig verstehen würde. Wenn, dann er! Und nun saß er da, hörte diesem Verrückten zu, wie er sich als liebender Vater produzierte, und schwieg!
Schließlich endete Herr Eckart, setzte sich zufrieden auf seinen Platz und hatte sogar den Nerv, mir zuzublinzeln. Offensichtlich war ihm klar, dass er mit seiner Performance alle Bedenken ausgeräumt hatte. Entspannt streckte er die Füße unter dem Tisch durch und lehnte sich mit einem leisen Seufzer zurück.
In dem Moment tönte die Stimme von Herrn Kuben durch den Raum, der ziemlich plötzlich und ohne viel Umschweife zum Punkt kam und dem Gericht schon im ersten Satz dringend empfahl, meinem Gutachten unbedingt in
allen
Punkten zu folgen.
Überrascht drehte ich mich zu dem Anwalt um, doch er sah nur nach vorne und erklärte ebenso schroff wie sachlich, dass es aus seiner Sicht für das Wohl des Kindes keine Alternative zu meinen Empfehlungen gebe.
Ohne hinzusehen, spürte ich förmlich neben mir, wie es in Herrn Eckart brodelte. Herr Kuben schien das nicht zu bemerken, denn er erklärte nun noch wortreich, dass Herr Eckart meinem Vorschlag, sich in therapeutische Behandlung zu begeben, auf jeden Fall Folge leisten sollte.
Und da war es urplötzlich um die Contenance von Herrn Eckart geschehen: Live und in Farbe, für alle Anwesenden sicht- und hörbar ließ er sich zu einer weiteren Tirade hinreißen, in der er tatsächlich noch einmal ausschweifend darlegte, für wie unfähig er mich und im Grunde alle Sachverständigen hielt. Er sprang auf, fuchtelte mit dem Zeigefinger, deutete auf alle Anwesenden, drohte mit »der Presse« und dass er den Ruf des Gerichts und somit des Landkreises ruinieren würde, wenn der Richter
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