Die Schale der Winde
debattierten eifrig. Elayne erwähnte Caemlyn und klang dabei zumindest halbwegs ernst, und Careane schlug mehrere abgelegene Dörfer in den Schwarzen Bergen vor, die durch das Wegetor alle gut erreichbar wären. Licht, jeder Ort war durch das Wegetor gut erreichbar.
Vandene sprach von Arafel, und Aviendha schlug Rhuidean in der Aiel-Wüste vor, wobei die Meervolk-Frauen um so verdrossener wurden, je weiter die genannten Orte vom Meer entfernt lagen. Alles nur Theater. Das wurde zumindest Mat durch die ungeduldige Art klar, in der Nynaeve sich an ihrem Zopf zu schaffen machte, obwohl eifrig und rasch Vorschläge gemacht wurden.
»Wenn ich etwas sagen dürfte, Aes Sedai?« schaltete sich Reanne schließlich zaghaft ein. Sie hob sogar eine Hand. »Die Schwesternschaft unterhält auf der anderen Seite des Flusses, wenige Meilen nördlich, einen Bauernhof. Jedermann weiß, daß er ein Zufluchtsort für Frauen ist, die Zeit zum Nachdenken und Ruhe brauchen, aber niemand verbindet ihn mit uns. Die Gebäude sind groß und behaglich, wenn man länger bleiben muß, und...«
»Ja«, unterbrach Nynaeve sie. »Ja, ich denke, das ist ein guter Vorschlag. Was meinst du, Elayne?«
»Ich denke, es klingt wundervoll, Nynaeve. Ich weiß, daß Renaile es zu schätzen wissen wird, wenn sie in der Nahe des Meeres bleiben kann.« Die anderen fünf Schwestern übertrafen sie noch, indem sie sagten, wie angenehm es klang und wieviel besser als jeder andere Vorschlag.
Mat verdrehte die Augen. Tylin war geübt darin, nicht zu sehen, was vor ihrer Nase lag, aber Renaile schnappte danach wie eine Forelle nach einer Florfliege, was natürlich beabsichtigt gewesen war. Sie sollte aus einem unbestimmten Grund nicht wissen, daß Nynaeve und Elayne alles schon zuvor geregelt hatten. Sie führte die übrigen Meervolk-Frauen hinaus, um ihre mitgebrachte Habe zu packen, bevor Nynaeve und Elayne ihre Meinung ändern konnten.
Die beiden wären Merilille und den anderen Aes Sedai gefolgt, aber er winkte sie mit einer Handbewegung heran. Sie wechselten Blicke - er hätte eine Stunde gebraucht, um auszudrücken, was diese Blicke enthielten -, woraufhin sie, worüber er einigermaßen überrascht war, zu ihm kamen. Aviendha und Birgitte beobachteten sie von der Tür und Tylin von ihrem Stuhl aus.
»Es tut mir sehr leid, daß wir Euch benutzt haben«, sagte Elayne, bevor er ein Wort äußern konnte. Sie lächelte ihn mit diesen Grübchen an. »Wir hatten unsere Gründe, Mat, das müßt Ihr uns glauben.«
»Die Ihr nicht erfahren müßt«, wandte Nynaeve schroff ein und warf ihren Zopf mit einer gekonnten Kopfbewegung wieder über die Schulter, so daß der Goldring auf ihrem Busen hüpfte. Lan mußte verrückt sein. »Ich muß sagen, ich hätte niemals erwartet, daß Ihr tun würdet, was Ihr getan habt. Was, um alles in der Welt, hat Euch auf die Idee gebracht zu versuchen, sie einzuschüchtern? Ihr hättet alles verderben können.«
»Was wäre das Leben, wenn man nicht hin und wieder etwas wagte?« meinte er vergnügt. Wenn sie dachten, es sei geplant und nicht ein spontaner Ausbruch gewesen, sollte es ihm recht sein. Aber sie hatten ihn erneut benutzt, ohne ihm etwas davon zu sagen, und dafür wollte er ein wenig entschädigt werden. »Wenn Ihr das nächste Mal einen Handel mit dem Meervolk abschließen müßt, laßt mich es für Euch übernehmen. Dann wird es vielleicht nicht so schlimm wie beim letzten Mal.« Nynaeves leicht gerötete Wangen zeigten ihm, daß er genau ins Schwarze getroffen hatte. Nicht schlecht für einen Blindschuß.
Elayne murmelte im Tonfall kläglicher Belustigung jedoch nur: »Ein höchst aufmerksamer Untertan.« Gut bei ihr angeschrieben zu sein, könnte sich als weniger angenehm erweisen als das Gegenteil.
Sie strebten zur Tür, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, noch mehr zu sagen. Nun, er hatte nicht wirklich erwartet, daß sie Erklärungen abgeben würden. Sie waren beide Aes Sedai bis auf die Knochen. Ein Mann lernte, mit dem zu leben, was er tun mußte.
Er hatte fast nicht mehr an Tylin gedacht, aber sie an ihn. Sie fing ihn ab, bevor er noch zwei Schritte getan hatte. Nynaeve und Elayne blieben mit Aviendha und Birgitte an der Tür stehen und beobachteten sie. Daher sahen sie, wie Tylin ihn in den Hintern zwickte. Mit einigen Dingen zu leben, konnte niemand lernen. Elayne setzte eine mitleidige und Nynaeve eine heftig mißbilligende Miene auf. Aviendha bekämpfte nicht sehr erfolgreich den Drang zu lachen, und
Weitere Kostenlose Bücher