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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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wo sie kann. Ich habe sie gefragt, wovor sie Angst hat, und sie sagte: »Man hat mir Anpassung beigebracht. Das ist der Fluch der Frauen. Die Eltern wollen nicht mit einer alten Jungfer dasitzen, darum lehren sie ihre Töchter, zu allem ja und Amen zu sagen -außer zum Sex.« Die Zeiten haben sich also nicht geändert...

8
    Sarah wartete schon vor der Filiale der Barclay's Bank in der Hills Street, als Keith Smollett kam. Sie hatte ihren Mantelkragen hochgeklappt und sah im grauen Novemberlicht blass und abgespannt aus. Er umarmte sie herzlich und gab ihr einen Kuss auf die kalte Wange. »Für eine Frau, die gerade das große Los gezogen hat, bist du keine tolle Reklame«, bemerkte er mit einem forschenden Blick in ihr Gesicht. »Wo liegt denn das Problem?«
    »Es gibt kein Problem«, antwortete sie kurz. »Ich bin nur der Meinung, dass im Leben mehr zählt als Geld.«
    »Sprechen wir vielleicht von Jack?« fragte er. Sie fand sein teilnahmsvolles Lächeln aufreizend.
    »Nein, tun wir nicht«, gab sie schnippisch zurück. »Wieso glaubt nur jeder, dass mein Seelenfrieden von einem seichten, hinterhältigen Stinktier abhängt, dessen einziger Ehrgeiz im Leben darin besteht, jede Frau zu schwängern, die ihm über den Weg läuft?«
    »Aha!«
    »Was soll das nun wieder heißen?« fragte sie scharf.
    »Nichts, nur aha.« Er zog ihren Arm durch den seinen. »Im Moment sieht wohl alles ziemlich schwarz aus, hm?« Er wies zur Straße. »Welche Richtung ist Duggans Kanzlei?«
    »Den Berg rauf. Nein, es sieht im Moment nicht ziemlich schwarz aus. Es sieht im Moment ziemlich hell aus. Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so ruhig und gelassen gefühlt.« Ihr freudloses Gesicht widersprach ihren Worten. Sie ließ sich von ihm die Straße hinaufführen.
    »Und so einsam?«
    »Jack ist ein Schwein.«
    Keith lachte. »Erzähl mir was Neues.«
    »Er lebt mit Mathilda Gillespies Tochter zusammen.«
    Keith ging langsamer und betrachtete sie neugierig. »Und Mathilda Gillespie ist die nette alte Dame, die dir ihre Kohle hinterlassen hat?«
    Sarah nickte.
    »Wieso lebt er mit ihrer Tochter zusammen?«
    »Das kommt drauf an, wem du zuhörst. Entweder weil er ein schlechtes Gewissen hat, dass ich, seine habgierige Ehefrau, die arme Joanna um ihr Erbe gebracht habe, oder weil er sie und sich vor meinen mörderischen Attacken mit einem Stanley-Messer schützen will. Kein Mensch scheint an den nächstliegenden Grund zu denken.«
    »Und der wäre?“
    »Gemeine Feld-Wald-und-Wiesen-Begierde. Joanna Lascelles ist eine sehr schöne Frau.« Sie wies zu einer Tür zehn Meter voraus. »Das ist Duggans Kanzlei.«
    Er blieb stehen. »Moment mal, hab ich das richtig verstanden? Behaupten die Leute, du hättest die Alte ihres Geldes wegen umgebracht?«
    »Das ist eine der Theorien«, antwortete sie trocken. »Meine Patienten fliehen in Scharen.« Ihr kamen die Tränen. »Es ist grauenvoll, wenn du es genau wissen willst. Manche gehen sogar auf die andere Straßenseite, wenn sie mich sehen.« Sie schneuzte sich energisch. »Und meine Partner sind darüber auch nicht gerade glücklich. Bei ihnen sind die Wartezimmer überfüllt, bei mir sind sie gähnend leer. Wenn das so weitergeht, kann ich mir eine andere Arbeit suchen.«
    »Das ist ja absurd«, sagte er zornig.
    »Nicht absurder als Mathildas Einfall, einer Wildfremden ihr ganzes Vermögen zu vermachen.«
    »Ich habe gestern mit Duggan telefoniert. Er sagte, Mrs. Gillespie habe dich offensichtlich sehr gern gehabt.«
    »Ich hab dich auch sehr gern, Keith, aber ich habe nicht die Absicht, dir mein Geld zu hinterlassen.« Sie zuckte die Achseln. »Es hätte mich wahrscheinlich nicht überrascht, wenn sie mir hundert Pfund vermacht hätte oder auch ihre Schandmaske, aber dass sie mir ihr ganzes Vermögen hinterlässt, das ist völlig unverständlich. Ich habe nichts getan, womit ich das verdient hätte, außer dass ich ab und zu über ihre Witze gelacht und ihr ein paar Schmerztabletten verschrieben habe.«
    »Vielleicht war das schon genug«, meinte er.
    Sie sch üttelte den Kopf. »Kein Mensch enterbt seine Familie zugunsten einer oberflächlichen Bekannten, die einmal im Monat eine halbe Stunde vorbeischaut. Das ist der komplette Irrsinn. Alte Männer, die in ein junges Mädchen vernarrt sind, tun so was vielleicht, aber nicht eine abgebrühte alte Frau wie Mathilda. Und wenn sie schon so was tun wollte, warum hat sie ihr Geld dann nicht Jack vererbt? Wenn man ihm glaubt, kannte er sie so gut,

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