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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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murmelte er. »Einen Schwindler kann man nicht beschwindeln, Joanna.«
    Sie runzelte die Stirn. »Wovon reden Sie?«
    »Von einer der größten Egozentrikerinnen, die mir je untergekommen ist, und ich kann das beurteilen, das dürfen Sie mir glauben. Sie können vielleicht dem Rest der Welt weismachen, dass Mathilda Ihnen Unrecht getan hat, aber mir nicht. Sie haben sie ihr Leben lang aufs Kreuz gelegt, obwohl Sie wahrscheinlich erst vor kurzem erkannt haben, wieso Ihnen das so glänzend gelang.«
    Sie sagte nichts.
    »Ich würde vermuten, dass Ihre Kindheit ein einziger endloser Wutanfall war, dem Mathilda mit der Schandmaske beizukommen versuchte. Hab ich recht?« Er hielt inne. »Und weiter? Vermutlich waren Sie intelligent genug, um sich was auszudenken, was Sie daran hinderte, das Ding weiter zu benutzen.«
    Ihr Ton war eisig. »Ich hatte Todesangst vor dem verdammten Ding. Ich hab jedes Mal Krämpfe bekommen, wenn sie damit ankam.«
    »Ein Kinderspiel«, sagte er amüsiert. »Ich hab als Kind auch damit gearbeitet, wenn es mir in den Kram passte. Also, wie alt waren Sie, als Sie auf den Trichter kamen?«
    Ihr Blick war eigent ümlich starr, doch er spürte die wachsende Erregung dahinter. »Nur wenn sie mir die Schandmaske aufgesetzt hat, hat sie mir jemals ein bisschen Wärme gegeben. Sie legte dann die Arme um mich und rieb ihre Wange an dem Eisengestell. Mein armer Schatz , sagte sie immer. Mami tut das nur f ür Joanna .« Sie wandte sich wieder dem Fenster zu. »Das habe ich gehasst. Es hat mir das Gefühl gegeben, dass sie mich nur lieben konnte, wenn ich am hässlichsten war.« Sie schwieg einen Moment. »In einer Hinsicht haben Sie recht. Erst als ich erfuhr, dass Gerald mein Vater war, habe ich begriffen, warum meine Mutter vor mir Angst hatte. Sie dachte, ich wäre verrückt. Das war mir vorher nie bewusst geworden.«
    »Haben Sie sie denn nie gefragt, warum sie Angst hatte?«
    »Diese Frage würden Sie nicht stellen, wenn Sie meine Mutter richtig gekannt hätten.« Das Glas beschlug unter ihrem Atem. »Sie hatte so viele Geheimnisse in ihrem Leben, dass ich sehr schnell gelernt habe, sie nie etwas zu fragen. Ich musste mir eine Biographie ausdenken, als ich aufs Internat kam, weil ich so wenig über meine eigene wusste.« Sie wischte ungeduldig die Fensterscheibe ab und wandte sich wieder ins Zimmer. »Sind Sie jetzt fertig? Ich habe zu tun.«
    Er war gespannt, wie lange er sie diesmal w ürde zurückhalten können, bis ihre Sucht sie ins Badezimmer trieb. Sie war unter der Anspannung der Abstinenz immer weit interessanter, als wenn sie etwas genommen hatte. »Southcliffe?« fragte er. »Dieselbe Schule, auf der Ruth jetzt ist?«
    Sie lachte bitter. »Wohl kaum. Damals war meine Mutter nicht so großzügig mit ihrem Geld. Ich kam auf ein billiges Internat, wo es nicht um geistige Bildung ging, sondern um den letzten Schliff für den Heiratsmarkt. Meine Mutter wollte mich unbedingt mit einem Blaublütigen verheiratet sehen. Wahrscheinlich«, fuhr sie zynisch fort, »weil sie hoffte, so ein Edeltrottel wäre durch Inzucht selbst so verpfuscht, dass ihm mein Irrsinn gar nicht auffallen würde.« Sie blickte zur Tür. »Für Ruth wurde weit mehr Geld ausgegeben als für mich, aber nicht weil meine Mutter sie gern hatte, das können Sie mir glauben.« Sie verzog abschätzig den Mund. »Das wurde alles nur getan, um nach meinem kleinen faux pas mit Steven das jüdische Blut in ihr zu unterdrücken.«
    »Haben Sie ihn geliebt?«
    »Ich habe nie einen Menschen geliebt.«
    »Sie lieben sich selbst«, sagte er.
    Aber Joanna war schon gegangen. Er h örte, wie sie im Badezimmer fieberhaft in ihrer Toilettentasche kramte. Was suchte sie? Tranquilizer? Kokain? Was auch immer es war, sie spritzte es sich nicht. Ihre Haut war makellos und schön wie ihr Gesicht.
    Sarah Blakeney hat mir erz ählt, dass ihr Mann Maler ist. Ein Maler menschlicher Persönlichkeiten. Ich dachte mir schon, dass er so etwas sein würde. Ich selbst hätte so etwas gewählt. Die Malerei oder die Literatur.
    »Ich weiß auch von euren Malereien Bescheid, recht gut. Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein andres.« Witzig eigentlich, das könnte für Sarah geschrieben sein. Sie gibt sich als eine freimütige und offene Person mit starken, entschiedenen Ansichten und ohne innere Widersprüche, aber in vieler Hinsicht ist sie sehr unsicher. Sie hasst jede Konfrontation, zieht Übereinstimmung Uneinigkeit vor und beschwichtigt,

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