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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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seinem Pullover ab, ehe er Keith als Friedenszeichen seine große, farbenverschmierte Hand bot. »Ich nehme an, Sarah hat dich geschickt.«
    Keith tat so, als s ähe er die Hand nicht, musterte stattdessen den Schlafsack, der zu einem Haufen zusammengeschoben in der Ecke lag, und zog sich einen Sessel heran. »Nein«, antwortete er und setzte sich. »Wir haben uns in Poole getrennt. Sie weiß nicht, dass ich hier bin. Ich bin hergekommen, weil ich versuchen wollte, mal vernünftig mit dir zu reden.« Er betrachtete das Porträt. »Mrs. Lascelles, nehme ich an.«
    Jack verschr änkte die Arme. »Was meinst du?«
    »Über sie oder ihr Porträt?«
    »Beide.«
    »Von ihr habe ich knapp fünfzehn Zentimeter durch den Türspalt gesehen.« Er neigte den Kopf zur Seite, während er weiter das Bild betrachtete. »Du bist mit den Rottönen ziemlich verschwenderisch umgegangen. Ist sie eine Nymphomanin? Oder ist da vielleicht bei dir der Wunsch der Vater des Gedankens?«
    Jack lie ß sich vorsichtig in den Sessel gegenüber nieder - die Kälte und die harten Bodendielen strapazierten seinen Rücken gewaltig - und überlegte, ob er Keith gleich eins auf die Nase geben oder ihn erst vorwarnen sollte.
    »Nicht immer«, sagte er, die Frage ernsthaft beantwortend, »nur wenn sie bekifft ist.«
    Keith muss te das erst einmal schlucken, dann sagte er: »Hast du mit der Polizei darüber gesprochen?«
    »Worüber?«
    »Dass sie Drogen nimmt.«
    »Nein.«
    »Dann ist es, denke ich, für alle Beteiligten das beste, wenn du mir nie etwas davon gesagt hast und ich es nie gehört habe.«
    »Warum?«
    »Weil ich auf der Seite von Gesetz und Ordnung stehe und nicht wie du über die Freiheit verfüge, zu tun, was ich will.«
    »Mach jetzt nicht deinen Beruf für fehlende Freiheit verantwortlich, Smollett«, knurrte Jack. »Du hast ihn selbst gewählt.« Er wies mit dem Kopf zum Haus. »Sie braucht Hilfe, aber die Person, die ihr am ehesten helfen könnte, will sie nicht sehen. Sarah, mit anderen Worten. Was könnte ihr ein Polizeibeamter nützen?«
    »Er könnte verhindern, dass sie noch jemanden umbringt.«
    Nachdenklich rieb sich Jack das unrasierte Kinn. »Ach, du meinst, wenn sie verworfen genug ist, um Drogen zu nehmen, ist sie automatisch auch verworfen genug, ihre Mutter umzubringen. Das ist doch Quatsch, und das weißt du auch.«
    »Es wäre auf jeden Fall ein weit stichhaltigeres Motiv als das, das man Sarah untergejubelt hat. Es kostet einen Haufen Geld, eine Sucht zu befriedigen, ganz zu schweigen von den Persönlichkeitsveränderungen, die Drogen hervorrufen. Wenn sie die alte Dame nicht des Geldes wegen getötet hat, dann vielleicht in einem plötzlichen blinden Wutanfall.«
    »Und du hättest nicht die geringsten Skrupel, einem Verteidiger diesen Blödsinn einzublasen, wie?« murmelte Jack.
    »Überhaupt keine, schon gar nicht, wenn es um Sarahs Kopf gehen sollte.« Keith drehte die Kassette einen Moment in seinen Händen, dann legte er sie neben den Recorder. »Du weißt ja wohl, dass sie sich scheußlich quält, weil ihr die Patienten davonlaufen und sie Angst hat verhaftet zu werden, während du hier eine drogenabhängige Nymphomanin anschmachtest. Wo ist deine Loyalität, Mann?«
    Waren das Sarahs Worte? Jack hoffte es nicht. »Anschmachten« war ein Wort, das seines Wissens nicht zu ihrem Vokabular gehörte. Sie besaß zu viel Selbstachtung. Er gähnte tief und herzhaft. »Will Sarah mich zurückhaben? Bist du deshalb hier? Ich geb gern zu, dass ich langsam genug davon habe, mir hier in diesem Schuppen die Eier abzufrieren.«
    Keith atmete einmal tief durch die Nase. »Ich weiß nicht, was sie will«, sagte er und ballte im Scho ß seine Hände. »Ich bin hergekommen, weil ich die absurde Vorstellung hatte, wir beide könnten uns wie Erwachsene über diese verfahrene Situation unterhalten. Ich hätte wissen müssen, dass das unmöglich ist.«
    Jack blickte zu den geballten F äusten hinunter und bezweifelte, dass Keith je dazu provoziert werden könnte, sie zu gebrauchen. »Hat sie dir gesagt, warum sie die Scheidung will?«
    »Nicht genau.«
    Er faltete seine H ände hinter seinem Kopf und blickte zur Decke hinauf. »Bei ihr war's aus, als sie für meine Geliebte einen Schwangerschaftsabbruch arrangieren musste. Seitdem ist es nur noch bergab gegangen.«
    Keith war entsetzt. Das erkl ärte Sarahs Bitterkeit nur allzu gut. Mit einem Kopfschütteln stand er auf und ging zur Tür. Er sah in den Garten hinaus. »Wenn ich nicht

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