Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
entdeckt, dass ich Violet in der Woche vor ihrer Hochzeit gesagt habe, ihre Ehe würde niemals halten. Wenn die arme Maus auch nur einen Funken Humor hätte, könnte sie mir jetzt mit Recht vorhalten, dass wer zuletzt lacht, am besten lacht...

9
    Joanna zeigte kaum Überraschung, als sie am folgenden Tag gegen Mittag von Sarah Besuch bekam. Mit einem äußerst dünnen Lächeln trat sie zurück und bat Sarah einzutreten: »Ich habe gerade die Zeitung gelesen«, sagte sie, als hätte Sarah ihr eine entsprechende Frage gestellt. Sie ging ins Wohnzimmer voraus. »Bitte, setzen Sie sich doch. Wenn Sie zu Jack wollen, er ist draußen.«
    Es war ein ganz anderer Empfang als der, den sie seinem Bericht vom vergangenen Abend zufolge Keith bereitet hatte, und Sarah h ätte gern gewusst, warum. Sie bezweifelte, dass es etwas mit der Drogensucht zu tun hatte, von der Keith gesprochen hatte, hielt es für wahrscheinlicher, dass Joannas Motiv schlichte Neugier war. Sie war schließlich Mathildas Tochter, und Mathilda war von einer unersättlichen Neugier gewesen.
    Sie sch üttelte den Kopf. »Nein, ich wollte zu Ihnen.«
    Joanna setzte sich, ohne etwas zu sagen.
    »Ich habe dieses Zimmer immer gemocht«, bemerkte Sarah. »Ich fand es so gemütlich. Ihre Mutter hat immer dort drüben gesessen« - sie wies auf einen hochlehnigen Sessel vor der Fenstertür -, »und wenn die Sonne schien, glänzte ihr Haar wie gesponnenes Silber. Sie sehen ihr sehr ähnlich, aber das wissen Sie sicher.«
    Joanna fixierte sie mit seltsam ausdruckslosem Blick.
    »Meinen Sie, es würde helfen, wenn wir beide miteinander über sie sprechen?«
    Wieder gab Joanna keine Antwort, und auf Sarah, die sich in der Annahme, dass Joanna bereitwillig auf ein Gespräch eingehen würde, auf diese Zusammenkunft vorbereitet hatte, wirkte ihr Schweigen wie eine Mauer. »Ich hoffte«, sagte sie, »wir könnten vielleicht irgendwie eine gemeinsame Basis finden.« Sie hielt kurz inne, aber es kam keine Reaktion. »Mir ist es nämlich, offen gesagt, gar nicht sympathisch, einfach alles den Anwälten zu überlassen. Wenn wir das tun, können wir das Geld ebenso gut gleich verbrennen.« Sie versuchte es mit einem Lächeln. »Sie werden die Knochen bis auf das letzte Fitzelchen Fleisch abnagen und uns das nackte Skelett übriglassen. Wollen Sie es so haben?«
    Joanna wandte ihr Gesicht zum Fenster und sah sinnend in den Garten hinaus. »Sind Sie nicht wütend, dass Ihr Mann hier bei mir ist, Dr. Blakeney?«
    Erleichtert, dass das Eis gebrochen war, wenn auch auf andere Art, als sie es gewünscht hätte, sagte Sarah: »Ob ja oder nein, ist doch hier kaum relevant. Wenn wir jetzt mit Jack anfangen, kommen wir nicht weiter. Es passiert mir bei Unterhaltungen leider immer wieder, dass das ganze Gespräch sich plötzlich nur noch um Jack dreht, und es wäre mir lieber, wenn wir ihn hier raushalten könnten.«
    »Glauben Sie, dass er mit meiner Mutter geschlafen hat?«
    Sarah seufzte insgeheim. »Ist Ihnen das wichtig?«
    »Ja.«
    »Gut, dann nein, das glaube ich nicht. Er mag viele Fehler haben, aber er nützt niemals die Schwäche anderer aus.«
    »Vielleicht hat sie ihn dazu aufgefordert.«
    »Das bezweifle ich. Dazu hatte Mathilda zu viel Würde.«
    Mit einem Stirnrunzeln wandte sich Joanna ihr wieder zu. »Sie wissen wohl, dass sie sich nackt von ihm malen ließ. Ich habe eine seiner Skizzen in ihrem Schreibtisch gefunden. Da blieb nichts der Phantasie überlassen, das können Sie mir glauben. Nennen Sie das Würde? Sie war alt genug, um seine Mutter zu sein.«
    »Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Wenn Sie weibliche Nacktheit als an sich entwürdigend und bewusst provokativ empfinden, dann, denke ich, könnten Sie wohl sagen, dass sich Mathilda würdelos verhalten hat.« Sie zuckte die Achseln. »Aber das ist eine gefährliche Philosophie, die ins finsterste Mittelalter und zu einer intoleranten Religion gehört. Wenn Sie andererseits den nackten Körper, ob weiblich oder männlich, als eine der Schöpfungen der Natur sehen und daher als ebenso wunderbar wie alles andere auf diesem Planeten, dann kann ich nichts Schamloses darin erblicken, ihn von einem Maler abbilden zu lassen.«
    »Sie hat es nur getan, weil sie wusste, dass es ihn erregen würde.« Sie sprach die Worte mit Überzeugung, und Sarah fragte sich, ob es klug war, dieses Gespräch fortzusetzen - Joannas Vorurteil gegen ihre Mutter saß zu tief, um vernünftiges Argumentieren möglich zu machen. Aber das

Weitere Kostenlose Bücher