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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Verhalten leicht falsch gedeutet werden konnte, aber lassen Sie sich von mir sagen, dass ich nur aus einem Grund ins Cedar House gezogen bin, n ämlich um Ihre Mutter zu malen. Die Verlockung, zwei Generationen einer Familie im Gemälde festzuhalten, war unwiderstehlich.« Er betrachtete sie nachdenklich. Beinahe so unwiderstehlich, dachte er, wie die Verlockung, auch noch die dritte Generation im Bild festzuhalten. »Und wenn meine äußerst verärgerte Frau sich nicht gerade diesen Moment ausgesucht hätte, um mich an die Luft zu setzen« - er zuckte die Achseln -, »dann hätte ich mich nicht im Sommerhaus Ihrer Mutter zu Tode zu frieren brauchen. Beruhigt Sie das alles nun, oder werden Sie weiterhin zu schlottern anfangen wie ein Wackelpudding, wenn Sie mich nur sehen?«
    Sie starrte ihn mit verzweifeltem Blick an. Sie ist doch sch ön, dachte er. Aber es war eine tragische Schönheit. Wie die ihrer Mutter. Wie die Mathildas.
    »Ich bin schwanger«, sagte sie schließlich, und Tränen rannen ihr aus den Augen.
    Einen Moment war es sehr still.
    »Ich dachte - ich hoffte - meine Mutter -« Sie wischte sich die Augen mit einem durchnässten Papiertuch. »Ich weiß nicht, was - ich sollte lieber gehen -, ich hätte es Ihnen nicht sagen sollen.«
    Tief in seinem Innern sch ämte sich Jack. War das Selbstmitleid eines Kindes unter untragbarer Belastung wirklich so verächtlich, dass er grausam darauf herumhacken musste? Er beugte sich vor und ergriff ihre Hand, zog sie vom Stuhl in seine Arme, hielt sie fest und strich ihr über das Haar, wie ihr Vater es getan hätte, wäre er am Leben geblieben. Er ließ sie eine lange Weile weinen, ehe er zu sprechen begann.
    »Ihre Großmutter hat einmal zu mir gesagt, die Menschheit sei zum Tode verurteilt, wenn sie nicht lerne zu kommunizieren. Sie war eine kluge alte Frau. Wir reden viel, aber wir kommunizieren selten.« Er hielt sie ein Stück von sich ab, so dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. »Ich bin froh, dass Sie es mir gesagt haben. Ich fühle mich geehrt von Ihrem Vertrauen. Die meisten hätten gewartet, bis Sarah zurückgekommen wäre.«
    »Ich wollte -«
    Er unterbrach sie mit einem leisen Lachen und lie ß sie los, so dass sie sich wieder auf ihren Stuhl setzen konnte. »Lassen Sie mir die Illusion. Lassen Sie mich nur einmal glauben, dass jemand meinte, man könnte mit mir ebenso gut reden wie mit Sarah. Es stimmt natürlich nicht. Es gibt niemanden auf der Welt, der so gut zuhören kann wie meine Frau und der so vernünftige Ratschläge geben kann. Sie wird sich um Sie kümmern, das verspreche ich Ihnen.«
    Ruth putzte sich die Nase. »Sie wird bestimmt böse auf mich sein.«
    »Glauben Sie?“
    »Sie haben doch gesagt, dass sie reizbar ist.«
    »Das ist sie auch. Aber so schlimm ist das nicht. Man zieht den Kopf ein, bis die letzte Vase zerschmettert ist.«
    Sie tupfte sich nerv ös die Augen. »Die letzte Vase? Wirft sie denn -«
    »Nein, nein«, unterbrach er beschwichtigend. »Das war nur eine Redewendung. Sarah ist ein guter Mensch. Sie bringt verletzte Tauben mit nach Hause, schient ihnen die Flügel und sieht mit tiefer Teilnahme zu, wie sie langsam und unter schrecklichen Qualen verenden. Das lernt man im Medizinstudium, wissen Sie.«
    »Das ist ja furchtbar«, rief sie erschrocken.
    »Es war nur ein Scherz«, bekannte er reuig. »Sarah ist die vernünftigste Ärztin, die ich kenne. Sie wird Ihnen helfen, sich zu entscheiden, was Sie tun wollen, und dann alles für Sie tun. Sie wird Sie nicht zwingen, das Kind zu bekommen, und sie wird Sie auch nicht zwingen, es nicht zu bekommen.«
    Die Tr änen begannen wieder zu fließen. »Ich will es nicht.« Sie ballte ihre Hände. »Ist das Unrecht?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte er aufrichtig. »Ich an Ihrer Stelle würde es auch nicht wollen.«
    »Aber ich hab's doch gemacht. Es war meine Schuld.«
    »Kinder machen kann man nur zu zweit, Ruth, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Freund über ein schreiendes Baby sehr begeistert wäre. Es ist Ihre Entscheidung, nicht seine. Sperma ist billig, und das meiste wird im Waschbecken runtergespült. Gebärmütter und ihre Föten sind eine teure Angelegenheit. Sarah hat recht, wenn sie von lebenslanger Verurteilung spricht.«
    »Aber ist es denn nicht lebendig? Begehe ich nicht einen Mord?«
    Er war ein Mann. Wie h ätte er auch nur im entferntesten die Qualen verstehen sollen, die Frauen leiden, weil ihnen durch einen biologischen Zufall die Macht über

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