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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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weint schon wieder, und es macht mich wahnsinnig. Ich kann es einfach nicht aushalten. Ich möchte das Unglückskind packen und schütteln, bis ihm die Zähne klappern, es schlagen und prügeln - alles könnte ich tun, nur um diesem Gequängel ein Ende zu bereiten. Meine Wut legt sich nie. Selbst wenn das Kind still ist, merke ich, wie ich darauf warte, dass es von neuem anfängt.
    Es ist so ungerecht, da ich doch mit Joanna schon das gleiche durchgemacht habe. Wenn sie nur ein wenig Interesse an ihrer Tochter zeigen w ürde, dann wäre es nicht so schlimm, aber sie gibt sich die größte Mühe, so zu tun, als wäre sie gar nicht vorhanden. Heute Morgen wollte ich in meiner Verzweiflung Ruth die Schandmaske aufsetzen, aber Joanna fiel bei ihrem Anblick sofort in Krämpfe. Ich rief wieder Hugh Hendry, und diesmal war er wenigstens so vernünftig, Beruhigungsmittel zu verschreiben. Er sagte, sie sei völlig überreizt.
    Wollte Gott, es h ätte zu meiner Zeit Valium gegeben. Wie immer musste ich allein fertig werden ...

12
    Sergeant Cooper hatte, sp äter an diesem Abend, kaum seinen Wagen in der Einfahrt zum Mill House angehalten, als Jack die Tür auf der Mitfahrerseite aufriss und ins Auto sprang. »Tun Sie mir einen Gefallen, Sergeant, fahren Sie langsam und möglichst leise rückwärts wieder raus und dann ein Stück die Straße runter. So ein, zwei Meilen.« Er nickte beifällig, als Cooper den Rückwärtsgang einlegte. »Und rufen Sie das nächstemal vorher an, wenn Sie kommen.«
    Anscheinend unersch üttert von diesem einigermaßen respektlosen Verhalten einem Polizeibeamten gegenüber, manövrierte Cooper den Wagen rückwärts zum Tor hinaus, langsam und mit vorsichtigen Bewegungen des Lenkrads, um das Knirschen des Kieses möglichst zu vermeiden.
    »Traut sie mir nicht?« fragte er, als er in den ersten Gang schaltete und in Richtung Fontwell losfuhr.
    »Es geht nicht um Sie persönlich. Es geht um die Polizei. Ungefähr eine halbe Meile von hier, auf der rechten Seite, ist eine Parkbucht. Halten Sie da. Ich gehe dann zu Fuß zurück.«
    »Hat sie was gesagt?«
    Als Jack nicht antwortete, warf Cooper ihm einen pr üfenden Blick von der Seite zu. Sein Gesicht im Widerschein der Autoscheinwerfer wirkte erschöpft, aber es war zu dunkel, um seinen Ausdruck zu erkennen.
    »Das Gesetz verpflichtet Sie, der Polizei bei ihren Ermittlungen zu helfen, Mr. Blakeney.«
    »Ich heiße Jack«, sagte er. »Und Sie, Sergeant?«
    »Dreimal dürfen Sie raten«, erwiderte Cooper trocken. »Thomas. Der gute alte Tommy Cooper.«
    Jack l ächelte. »Gemein.«
    »Das kann man sagen. Die Leute erwarten von mir, dass ich komisch bin. Wo ist jetzt diese Parkbucht?«
    »Vielleicht noch hundert Meter.« Jack spähte durch die Windschutzscheibe. »Jetzt kommt sie. Auf der rechten Seite.«
    Cooper fuhr auf die andere Stra ßenseite und hielt den Wagen an. »Nur fünf Minuten«, sagte er und legte Jack eine Hand auf den Arm, während er Motor und Scheinwerfer ausschaltete. »Ich muss Ihnen wirklich ein paar Fragen stellen.«
    Jack lie ß den Türgriff los. »Meinetwegen, aber ich warne Sie gleich, ich kann Ihnen wirklich nichts sagen, außer dass Ruth Todesangst hat und am liebsten überhaupt nichts mehr mit der Polizei zu tun haben würde.“
    »Da wird sie vielleicht keine Wahl haben. Es kann sein, dass wir ein Strafverfahren einleiten.«
    »Weswegen? Weil sie eine Familienangehörige bestohlen hat, die den Diebstahl der paar Kleinigkeiten nicht einmal angezeigt hat? Deswegen können Sie Ruth nicht belangen, Tommy. Im übrigen würde Sarah als Erbin darauf bestehen, dass das Verfahren eingestellt wird. Ihre Situation ist auch so schon heikel genug. Sie möchte sich bestimmt nicht nachsagen lassen, dass sie das Kind, dem sie praktisch sein Erbe weggenommen hat, nun auch noch strafrechtlich verfolgen lässt.«
    Cooper seufzte. »Nennen Sie mich Cooper«, sagte er. »Das tun die meisten. Tommy ist eher eine Peinlichkeit als ein Name.« Er nahm sich eine Zigarette. »Warum nennen Sie Miss Lascelles ein Kind? Sie ist eine junge Frau, Jack. Siebzehn Jahre alt und vor dem Gesetz voll verantwortlich für ihr Handeln. Wenn es ein Verfahren gibt, wird sie wie eine Erwachsene behandelt werden. Sie sollten zusehen, dass Sie sich nicht Ihr Urteil von Ihren Gefühlen trüben lassen. Im Übrigen geht es hier nicht um Kleinigkeiten. Sie hat ihrer Großmutter vor einem Monat fünfhundert Pfund gestohlen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Und am Tag des

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