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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sowieso schon war. »Kann ich mir eine Tasse Kaffee machen?« Sie sah ausgesprochen unattraktiv aus. Das feuchte Haar klebte ihr am Kopf, ihr Gesicht war verquollen und fleckig vom Weinen. »Ich möchte Ihnen nicht zur Last fallen.«
    Jack verschwand wieder hinter seinem Gem älde. Sie sollte die Gereiztheit in seinem Blick nicht sehen. Anderer Leute Selbstmitleid ging ihm entsetzlich auf die Nerven. »Wenn Sie mir auch eine machen, klar. Schwarz und ohne Zucker, bitte. Der Kaffee steht neben dem Wassertopf, Zucker ist in der Dose, auf der Zucker steht, Milch ist im Kühlschrank und das Mittagessen steht im Backofen. Es ist in einer halben Stunde fertig. Wenn Sie also nicht gerade kurz vor dem Verhungern sind, würde ich Ihnen raten, das Frühstück ausfallen zu lassen und bis dahin zu warten.«
    »Kommt Ihre Frau zum Mittagessen nach Hause?«
    »Das bezweifle ich. Bei Polly Graham haben die Wehen angefangen, und da sie zu Hause entbinden möchte, kann Sarah noch Stunden dort sein.«
    Ruth stand einen Moment unschl üssig herum, dann machte sie Anstalten, zur Küche zu gehen, blieb aber gleich wieder stehen. »Hat meine Mutter angerufen?« platzte sie heraus.
    »Haben Sie das erwartet?«
    »Ich hab gedacht -« Sie brach ab.
    »Denken Sie lieber an meinen Kaffee. Wenn Sie nichts davon gesagt hätten, hätte ich wahrscheinlich gar keinen gewollt, aber nun haben Sie's eben mal gesagt. Also machen Sie Dampf, junge Frau. Wir sind hier nicht in einem Hotel, und ich bin nicht gerade in Jubel Stimmung, nachdem man mich ins Gästezimmer verfrachtet hat.«
    Sie lief den Flur hinunter in die K üche. Als sie fünf Minuten später mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen standen, zurückkehrte, zitterten ihre Hände so stark, dass das Porzellan klirrte. Jack schien es nicht zu bemerken, doch er nahm ihr das Tablett ab und stellte es auf einen Tisch am Fenster.
    »Setzen Sie sich«, sagte er und wies auf einen Stuhl, während er seinen Hocker drehte, um sie ansehen zu k önnen. »Wovor haben Sie Angst? Vor mir, vor Ihrem Freund, vor den Männern im allgemeinen, vor der Polizei oder davor, was mit Ihnen geschehen wird?«
    Sie schreckte vor ihm zur ück, als hätte er sie geschlagen.
    »Vor mir also.« Er rückte den Hocker ein Stück zurück, um ihr mehr Raum zu lassen. »Warum haben Sie Angst vor mir, Ruth?«
    Sie bewegte nerv ös ihre Hände in ihrem Schoß. »Ich - Sie -« Ihre Augen waren angstgeweitet. »Hab ich ja gar nicht.«
    »Sie fühlen sich in meiner Gegenwart völlig sicher und wohl?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Sie haben eine merkwürdige Art, es zu zeigen.« Er griff nach seinem Kaffee. »Wie alt waren Sie, als Ihr Vater gestorben ist?«
    »Ich war noch ein Baby.«
    »Und seitdem haben Sie mit Ihrer Mutter und Ihrer Großmutter zusammengelebt und später mit einer Horde Frauen im Internat.« Er trank einen Schluck. »Dieser Hughes war Ihr erster Freund, hab ich recht?«
    Sie nickte.
    »Er ist also Ihre einzige Erfahrung mit Männern?«
    Sie starrte auf ihre H ände hinunter.
    »Ja oder nein?« fragte er ungeduldig.
    »Ja«, flüsterte sie wieder.
    »Dann brauchen Sie eine Runde Nachhilfeunterricht, was Männer angeht. Man muss sich nur drei Dinge merken: Erstens, die meisten Männer brauchen eine Frau, die ihnen sagt, was sie tun sollen. Sogar im Bett wird's besser, wenn die Frauen die Richtung angeben. Zweitens, im Vergleich mit den Frauen sind die meisten Männer unzulänglich. Sie sind weniger scharfsichtig, besitzen wenig oder keine Intuition, sind schlechtere Menschenkenner und daher anfälliger für Kritik. Aggression macht ihnen große Angst, eben weil sie keine Angst haben dürfen, und sie sind, kurz gesagt, das weit empfindlichere der beiden Geschlechter. Drittens, jeder Mann, der diesem Muster nicht entspricht, sollte gemieden werden. Er kann dann nämlich nur ein ungebildeter Angeber und Brutalo sein, mit einem so dürftigen Intellekt, dass er sich Autorität nur verschaffen kann, indem er jeden, der dumm genug ist, es sich gefallen zu lassen, niedermacht. Und ihm wird das eine fehlen, das bei allen anständigen Männern im Überfluss vorhanden ist, nämlich eine tiefe und unversiegbare Bewunderung für die Frauen.« Er nahm ihre Kaffeetasse und hielt sie ihr unter die Nase, so dass sie zugreifen musste. »Ich behaupte nicht, ein Musterexemplar zu sein, aber ich bin ganz gewiss kein hirnloser Brutalo, und ganz unter uns gesagt, ich habe meine leicht reizbare Ehefrau verdammt gern. Ich gebe zu, dass mein

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