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Die Schanz

Die Schanz

Titel: Die Schanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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faltete die Hände. «Das war’s dann wohl.»
    Sie hatten sich durch alle aktuellen Vermisstenanzeigen vom Niederrhein gearbeitet, auch die aus der angrenzenden niederländischen Provinz Gelderland überprüft, doch es war nichts dabei herumgekommen. Die wenigen Männer, die vom Alter her zu ihrem Toten passten, hatten entweder die falsche Haarfarbe gehabt oder aber nicht auf der Sonnenseite des Lebens gestanden, wo man sich Gedanken über Fußpflege machte und sich solides Schuhwerk leisten konnte.
    Wenn niemand ihren Toten vermisste, konnte das im Grunde nur bedeuten, dass er bereits Rentner gewesen war oder freiberuflich gearbeitet hatte. In einem Altenheim konnte er nicht gewohnt haben, da wäre sein Verschwinden längst gemeldet worden. Er musste allein gelebt haben, oder aber ein Partner oder Angehöriger war für seinen Tod verantwortlich.
    «Ich schreibe den Presseaufruf», bot Astrid an.
    «Wird kaum was bringen ohne Foto.» Van Appeldorn gähnte. «Und vermeide bitte die Wörter ‹Leichenteil› und ‹Maishäcksler›.»
    Astrid lächelte nachsichtig – die Zeiten, in denen sie sich über seine Art geärgert und sich mit ihm gefetzt hatte, lagen, Gott sei Dank, hinter ihr. «Es ist auch so schon seltsam genug: Gesucht wird ein über sechzig Jahre alter Mann mit gepflegten Füßen …»
    Toppe fröstelte, drehte die Heizung höher und spähte durch den Regenschleier nach draußen. Auf dem Parkplatz entdeckte er Jupp Ackermann, einen Kollegen vom Betrugsdezernat, der sich damit abmühte, einen riesigen, nierenförmigen Gegenstand auf seinen Autoanhänger zu hieven. Der Wind plusterte seinen langen, flusigen Bart auf und drückte ihm die Hosen gegen die staksigen Beine. Als er Toppe am Fenster entdeckte, fing er an, wild zu gestikulieren, hielt sich kopfschüttelnd die Augen zu, legte den Finger über die Lippen, zeigte auf das sperrige schwarze Ding und machte das Victoryzeichen.
    Toppe hob verständnislos die Schultern, verkniff sich aber jede weitere Geste. Bei Ackermann wusste man nie, was man heraufbeschwor.
    Es klopfte kurz, und van Gemmern kam herein.
    «Ich hab was», begann er düster. Wie immer waren seine Augen entzündet, doch heute konnte man wenigstens seine Gesichtsfarbe als einigermaßen gesund bezeichnen. Und wie immer blieb er im Zimmer stehen und hielt seine Nachrichten so knapp wie möglich. Mit einer Pinzette hob er ein etwa 2,5   x 3 Zentimeter großes blutverkrustetes, ausgefranstes Knochenstück hoch, das in der Mitte ein rundes, glattrandiges Loch hatte. «Wenn mich nicht alles täuscht, ist das ein Stück Schädel.»
    «Bitte nicht», stöhnte van Appeldorn. «Das muss ich jetzt wirklich nicht haben.»
    Aber van Gemmern beachtete ihn gar nicht. «Habe ich heute früh rausgesiebt, und gerade eben finde ich das hier.»
    Im Plastikbeutel, den er ihnen hinhielt, steckte ein Geschoss.
    «Damit können wir einen natürlichen Tod wohl ausschließen, oder?», murmelte Cox und guckte sich die Patrone genauer an. «Das ist ein seltsames Ding …»
    Klaus van Gemmern schob seine verschmierte Brille hoch und rieb sich die Nasenwurzel. «Es handelt sich um ein zylindrisches, gefettetes Bleigeschoss vom Kaliber .38 der Firma Norma, um eine Sportpatrone also. Was erklärt, dass ich das Ding überhaupt gefunden habe.»
    Toppe schaute ihn fragend an und zeigte dabei auf einen Stuhl.
    Van Gemmern setzte sich nun doch. «Scheibenmunition für Sportschützen ist ziemlich schwach», erklärte er. «Der eigentliche Sinn dieser Projektile ist es, ungefähr fünfundzwanzig Meter weit zu fliegen und ein schönes, kreisrundes, möglichst glattrandiges Loch in eine Papierscheibe zu schlagen, damit man das Ergebnis sicher ablesen kann. Deshalb heißt diese Sorte Patronen auch wad-cutter. Sie legen etwa 170 Meter pro Sekunde zurück, und das ist relativ wenig.»
    «Sie sind aber trotzdem stark genug, einen Schädelknochen zu durchschlagen?», fragte Astrid.
    «Wenn du nah genug dran bist, sicher.»
    Toppe nickte langsam. «Verstehe, die Patrone hatte zwar genug Schlagkraft, um in den Schädel einzudringen, aber dann ist sie stecken geblieben.»
    «Richtig», antwortete van Gemmern, «ein stärkeres Geschoss wäre wieder ausgetreten, und ich hätte es wohl kaum im Häcksler gefunden. Das Ding hier stammt aus einer Sportschützenwaffe, und an den Riefen kann man erkennen, dass es sich um ein linksdrehendes Geschoss handelt.» Er machte eine Pause, die bei jedem anderen kokett gewirkt hätte, und fuhr dann

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