Die Schanz
Mitteln hier geht’s eben nicht besser.»
Aber der biologische Sachverständige beim LKA würde anhand der Fliegen und Maden, die ihm in einem belüfteten Behälter zugeschickt würden, und am Stadium der Puppen den Todeszeitpunkt näher eingrenzen können.
«Dann lass uns mal mit dem Offensichtlichen beginnen: Es handelt sich um einen rechten Fuß, kein Tierfraß wegen des Schuhs. Ein Herrenschuh, braunes Leder, könnte ein Sioux sein, nicht gerade preiswert, sorgfältig eingecremt.»
Er drehte das Exponat langsam um. «Gepflegte Zehnägel, keine Hornhaut, graue und dunkle Körperhaare. Und was haben wir hier? Reich mir mal das Skalpell, Helmut.»
Er streckte die Hand aus, aber als nichts passierte, richtete er sich auf. «Jetzt guck nicht so. Gib’s mir einfach, und dann lauf in die Küche und hol eine Scheibe Wurst oder ein Stück Fleisch. Die Fliegen brauchen Nahrung in ihrem Kasten da, sonst gehen sie ein, bevor sie in Düsseldorf ankommen.» Er schmunzelte. «Du kannst dir ruhig Zeit lassen.»
Toppe schlenderte zum Parkplatz und rauchte erst einmal eine Zigarette. Bis er die Küche gefunden, in der Cafeteria eine Cola getrunken und noch eine geraucht hatte, war eine Dreiviertelstunde vergangen.
Bonhoeffer hatte im Großzehgrundgelenk eine Arthrose entdeckt, außerdem Harnsäurekristalle, die auf eine Gicht hinwiesen. «Es handelt sich also um einen älteren Menschen, ab sechzig aufwärts, würde ich schätzen.»
«Um einen Mann?»
«Ziemlich sicher, ja. Für eine Blutprobe hat es nicht gereicht, aber ich habe Gewebe aus den Zwischenzehenmuskeln entnommen. Damit kann das LKA Blutgruppe und Geschlecht bestimmen und die DNA-Analyse machen.»
Toppe beschloss, auf dem Rückweg noch einmal bei Bauer Dellmann vorbeizufahren. Auch ohne die Untersuchungsergebnisse aus Düsseldorf konnte er sich jetzt ein Bild vom Toten machen: ein über sechzig Jahre alter Mann mit vermutlich ergrautem, früher einmal dunklem Haar, der wahrscheinlich sozial nicht allzu schlecht gestellt war, denn er hatte teures Schuhwerk getragen und seine Füße gepflegt. Vielleicht konnten Dellmanns mit dieser Beschreibung etwas anfangen.
Er hatte Glück – die Brücke über den Altrhein in Griethausen war noch passierbar, auch wenn hin und wieder eine kleine Welle über die Fahrbahn schwappte.
Frau Dellmann stand in der Küche und kratzte Essensreste aus einer gusseisernen Kasserolle. Möhreneintopf, und es roch nach geräuchertem Speck. Toppes Magen knurrte aufdringlich.
Die Bäuerin knallte den Topf unwirsch auf die Herdplatte. «Meine Güte, wir kennen viele Leute, die so aussehen! Aber wenn einer von denen verschwunden wäre, dann müsste ich das doch wissen. Mein Mann hat sich hingelegt, aber ich geh ihn holen.»
Die Spülmaschine rumpelte und gab einen tickenden Pfeifton von sich.
Dellmanns Haar war am Hinterkopf platt gedrückt und hatte sich zu einem kleinen Hahnenkamm aufgestellt. Jetzt, nachdem er seinen Schock überwunden hatte, war er maulfaul und muffig, beinahe schon feindselig. Erst als Toppe ins Auto stieg, bekam er die Zähne auseinander. «Will bloß hoffen, dass das auch stimmt mit dem Geld von euch. Morgen Mittag fängt Derksen mit der Ernte an, und der will Bares sehen. Und überhaupt, wenn das alles bloß früh genug ist, wir kriegen nämlich Frost.»
Toppe hielt inne. Es war deutlich kälter geworden, und heute Morgen hatte er gedacht, dass er wohl in den Umzugskisten nach seinem Wintermantel würde suchen müssen.
«Frost? Ist das nicht ein bisschen früh im Jahr?»
Dellmann zog geräuschvoll die Nase hoch und spuckte aus. «Sagen Sie das mal meinen Knochen. Da merk ich es nämlich drin.»
«Ach ja», bemerkte Toppe, «da wäre noch was. Der Mann, den wir suchen, hatte Gicht, vielleicht auch Rheuma.»
Dellmann schnaubte. «Haben neunzig Prozent der Landwirte in meinem Alter. Aber glauben Sie, das wird als Berufskrankheit anerkannt? Von wegen!»
Toppe gab sich geschlagen und dachte resigniert an die Arbeit, die vor ihnen lag: Vermisstenmeldungen durchkämmen, sich dicke Ohren telefonieren.
Und gegen Abend sollte er sich mit Astrid in der Stadt treffen. Sie fand, er bräuchte einen neuen Anzug für Norberts Hochzeit, schließlich sei er Trauzeuge. Es gab nur wenig Dinge, die er mehr verabscheute als Herrenausstatter, enge Umkleidekabinen und Spiegel, in denen er aussah wie ein alter Mann mit zehn Kilo Übergewicht.
Vier
Um kurz nach elf am nächsten Morgen fuhr Cox seinen Computer herunter und
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