Die Schanz
ich gehört», raunte die andere. «Und guck mal, da ist auch ein Priester dabei. Die haben bestimmt ökonomisch geheiratet.»
Astrid unterdrückte ein Prusten und drehte sich schnell weg. «Hier hat sich anscheinend nicht viel verändert in den letzten fünfundzwanzig Jahren», lachte sie. «Als ich noch zur Schule ging, war mir immer ein bisschen mulmig, wenn ich auf dem Weg zu einer Party am Rheinufer mit dem Fahrrad hier durchmusste. Die Leute guckten einen so böse an, dass man gleich wusste, Fremde haben hier nichts zu suchen. Außerdem sahen die sich alle auffallend ähnlich, was ja eigentlich nur am jahrhundertelangen Inzest liegen kann.»
Toppe gluckste amüsiert.
«Nein, ehrlich.» Astrid kicherte wieder. «Wenn du dir die Namen auf dem Gefallenendenkmal da hinten anguckst, geht zwangsläufig die Phantasie mit dir durch. Die heißen alle gleich.»
Wenn Ulli gedacht hatte, bei ihrem Festzug durch das Dorf würden herzlich winkende Menschen die Straße säumen, hatte sie sich getäuscht. Türen und Fenster blieben fest geschlossen, und nicht einmal ein Hund ließ sich blicken. Dafür war die Theke in der «Inselruh» gut besetzt. Beim Einzug der Gesellschaft verstummten die Gespräche, Gesichter wandten sich ihnen zu.
Die Wirtin ließ ein halb gezapftes Bier stehen, wischte sich die nassen Hände am Hosenboden ab und kam ihnen entgegen. «Meinen herzlichsten Glückwunsch», rief sie heiter, «und alles, alles Gute! Kommen Sie, kommen Sie, ich hoffe, es gefällt Ihnen, ich hoffe, Sie sind zufrieden. Sind schon eine Masse Geschenke gekommen, hab ich alle mit den Karten, die dabeigehören, auf den langen Tisch an der Seite getan.»
«Trixi», bellte einer der Männer am Tresen, «mach mir erst noch ’n Kurzen, ja?»
Wütend blitzte sie ihn an. «Du wirst ja wohl mal fünf Minuten warten können!»
Es dauerte lange, bis alle Gäste mit dem ersten Glas Champagner versorgt waren, denn die Wirtin hatte als Bedienung nur einen einzigen jungen Kellner eingestellt.
Der bei solchen Stehempfängen übliche Moment, in dem sich jeder unbehaglich fühlt und mit steifem Lächeln nach einem Gesprächsthema sucht, währte nur kurz, denn Jupp Ackermann nahm das Heft in die Hand, indem er vernehmlich mit seinem Ehering gegen sein Sektglas klopfte. «Liebe Ulli, lieber Norbert! Ich weiß, ihr zwei habt et nich’ so mit de Beileidsbekundungen, deshalb gibbet auch keine Hochzeitszeitung un’ keine gespielten Witze mit de ganzen – wie sacht man so schön – Anzüglichkeiten. Selbs’ in Schuld, aber is’ eben nich’ jedem sein Geschmack. Bloß eine Sache, die muss eben sein …»
Er lachte meckernd und hob sein Glas. «Aber ers’ ma’ trinken wir einen Schluck auf unser Jubelpaar. Möge ihr junges Glück währen ewiglich! Und alle jetz’: Hoch soll’n se leben, hoch soll’n se leben …»
Nur sehr zaghaft fielen die anderen Gäste in seinen Gesang ein. Ullis Kolleginnen, die Ackermann nicht kannten, starrten entgeistert und fingen dann an, sich imaginäre Flusen von den Kleidern zu zupfen. Ulli selbst strahlte und drückte dem zappeligen Ackermann einen Kuss auf die Wange.
«Oho! Wenn ich dafür schon so ’n saftigen Schmatz krieg’, dann gibt dat gleich aber ’ne richtige Knutscherei, wie se im Buch steht.»
Er hob mit einer dramatischen Geste die Hände. «Jetz’ kommt nämlich dat Geschenk, wofür die lieben Kollegen vonne Wache un’ ich zusammengeschmissen haben. Die Idee is’ aber von mir! Moment noch …» Er wieselte zur Tür, öffnete beide Flügel und ließ ein paar uniformierte Kollegen herein, die ein gigantisch großes schwarzes Nierenbecken trugen.
«Was ist das, um Himmels willen?», flüsterte Ulli aufgeregt.
«O Gott!» Van Appeldorn schluckte. «Das sieht aus wie ein Gartenteich!»
Ackermann verbeugte sich. «Ich hab lang’ überlegt, un’ dann hab ich mir gesagt: Ackermann, der Mensch in unserm Alter braucht wat für de Kontemplation. Un’ wat, frag ich euch, könnt’ da besser sein wie ’n Teich? Mir un’ der Mutti hat unser Teich immer gut getan. Egal wat für ’n Ärger wir mit de Blagen oder sons’ wat hatten, wenn wer bei uns am Teich gesessen haben, war dat alles wie weggeblasen. Un’ die Kollegen haben et bestätigt: Is’ gut für de Seele, so ’n Teich, un’ für de Kontemplation. Also, viel Spaß damit! Ach, fast hätt ich et vergessen – wir buddeln euch dat Teil natürlich fachgerecht ein, wenn er auf Reisen seid, un’ bringen et auch am Laufen mit
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