Die Schanz
von so geringer Durchschlagskraft eine höchst riskante Sache. Ein Sportschütze … Wer sonst würde eine solche Waffe benutzen? Keiner, der wusste, wie man tötet, kein Profi, das war sicher.
Er schüttete den Tee durch ein Sieb in den Becher und genoss den Duft.
Allzu viele Sportschützenvereine gab es nicht in der näheren Umgebung. Deren Waffen waren alle registriert.
Er setzte sich an den Tisch und trank in kleinen Schlucken, pustete und trank.
Ein Maisfeld im hintersten Hinterland, meilenweit entfernt von jeder größeren Straße. Das war kein Ort, an dem man zufällig vorbeikam.
Sein Stadtplan lag im Auto. Er nahm seinen Mantel vom Haken, legte ihn sich um die Schultern und ging hinaus. Die Wagenscheiben waren vereist.
Wieder in der Küche, zündete er sich eine Zigarette an und breitete den Plan aus.
Ganz oben links fand er Dellmanns Hof. Die Martin-Schenk-Straße auf dem Banndeich führte von Griethausen nach Schenkenschanz und endete dort. Er war zwar noch nie dort gewesen, wusste aber, dass die Schanz eine alte Befestigungsanlage aus dem achtzigjährigen Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden war, der in dieser Gegend heftig getobt hatte. Und er kannte die Presseberichte und die dramatischen Fotos des eingeschlossenen Dörfchens bei den letzten Hochwassern. Man erreichte es entweder über die Deichstraße oder mit der Altrheinfähre. Es gab ein paar schmale, vermutlich befestigte Wege, die zu den umliegenden Bauernhöfen im Naturschutzgebiet führten. Sechs Höfe, sieben vielleicht, wenn das «ehem. Forsthaus Salmorth» auch bewirtschaftet war. Eine kleine Gemeinschaft, in der sich die Leute mit Sicherheit gut kannten, in der es auffiel, wenn jemand fehlte. Von dort würde der Tote wohl nicht stammen: ein älterer Mann, dem jemand – wie Arend festgestellt hatte – mit einer Sportwaffe ein sauberes kleines Loch in die Schädelkalotte über der linken Schläfe gestanzt hatte, aus nächster Nähe.
Fünf
Ulli hatte das Glück auf ihrer Seite.
Die ganze Nacht hatte es geregnet, aber am Freitagmittag riss der Himmel plötzlich auf, und als sie in Düffelward in die geschmückte Kutsche stieg, um mit der Fähre nach Schenkenschanz überzusetzen, wagte sich sogar eine blasse Sonne hervor.
«Du hast ja gar keinen Schleier.» Van Appeldorn betrachtete sie zärtlich.
«Nein, der stand mir einfach nicht.»
Stattdessen trug sie auf dem Kopf, passend zum Brautstrauß und zur Farbe ihres Brautkleides, einen Kranz aus butterweißen Rosen. Sie sah wunderschön aus.
Die Trauung, die Musik, das selbst gewählte Eheversprechen, alles war so, wie sie es sich immer gewünscht hatte, erst beim Auszug aus der Kirche kam es zu einem kleinen Zwischenfall. Als die Kinder aus ihrer Vorschulklasse sich zum Blumenstreuen aufstellen wollten, fanden sie den Ausgang versperrt von zwei Sägeböcken, auf denen ein ziemlich dicker Baumstamm lag. Unsicher giffelnd wuselten sie durcheinander, fingen an, sich gegenseitig zu stupsen und zu rempeln, und es dauerte eine Weile, bis ihre aufgeregten Mütter sie wieder unter Kontrolle hatten.
Draußen stand die Altherrenmannschaft vom SV Siegfried Materborn Spalier, in der van Appeldorn bis vor kurzem noch regelmäßig Fußball gespielt hatte. In ihren kurzen Hosen und Trikots tapfer zitternd, reichten sie Ulli und van Appeldorn eine lange Baumsäge. «Erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Manche Sachen gehen nur, wenn beide an einem Strang ziehen.»
Ulli lachte ihrem Ehemann fröhlich ins Gesicht, und unter dem rhythmischen «Hipp hoi!» seiner Mannschaftskameraden machten sie sich ans Werk. Die übrige Hochzeitsgesellschaft hatte mittlerweile die Kirche durch die Seitentür verlassen und sich an der Friedhofsmauer versammelt.
Astrid hakte sich bei Toppe ein. «Ullis Kleid ist wirklich ein Traum! Ich möchte wissen, wer das entworfen hat.»
Toppe grinste. «Warum? Spielst du jetzt doch mit dem Gedanken?»
«Ich hab schon mindestens tausendmal mit dem Gedanken gespielt», antwortete sie ernst, «aber irgendwie käme mir das jetzt ein bisschen albern vor.» Dann schmunzelte sie. «Außerdem hast du mich nie gefragt.»
«Stimmt», erwiderte Toppe. «Du mich aber auch nicht.»
Zwei ältliche Frauen waren hinter ihnen an der Mauer stehen geblieben und begutachteten das Brautpaar, das beim ungewohnten Sägen gar keine so schlechte Figur machte.
«Auch nicht mehr die Jüngsten», bemerkte die eine, «aber trotzdem ein nettes Pärchen.»
« Er soll ja bei der Kripo sein, hab
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