Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die scharlachrote Spionin

Die scharlachrote Spionin

Titel: Die scharlachrote Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Pickens
Vom Netzwerk:
jede Vorschrift war der Auftrag hochgradig persönlich geworden. Lady Serena hatte Robert auf dem Gewissen, ihren Cousin; und den Mann, den sie liebte, hätte die grausame Lady ermordet, ohne mit der Wimper zu zucken. Sofia wich einem herabstürzenden Balken aus. Mochten Feuer oder Schwefel ihr auf den Fersen folgen, sie würde dafür sorgen, dass die Lady ihrer gerechten Strafe nicht entging!
    Die Kohlen knackten unter seinen Stiefeln, als Osborne zwei Treppenstufen auf einmal nahm. Der Säbel hatte sich als nützlich erwiesen, die Flügelfenster zu zertrümmern und Fensterkreuze wegzuhauen. Dennoch hatte ihn die Verzögerung wertvolle Sekunden gekostet. Blinzelnd durchdrang er die wabernden Schwaden aus Ruß und Asche, versuchte herauszufinden, welchen Weg Sofia eingeschlagen hatte. Ihre dunkle Kleidung machte es schwer, sie in dem wirbelnden Rauch auszumachen.
    Die Flammenwand vor dem Arbeitszimmer drängte ihn zurück. Ihm blieb keine andere Wahl, als dem Korridor in den hinteren Teil des Hauses zu folgen.
    »Sofia!«, rief er laut, um seiner Stimme durch das brüllende Feuer hindurch Gehör zu verschaffen.
    Sprühende Funken schienen dem schwachen Versuch spotten zu wollen. Seine Kehle war vollkommen ausgetrocknet, und die Hitze wurde unerträglich. Er presste sich ein Taschentuch auf den Mund und stolperte vorwärts. Aus gutem Grund hielt er den kirpan immer noch in der Hand; obwohl der Messinggriff ihn in die Handfläche stach, nutzte er die Waffe, um seinen Schritt zu stabilisieren.
    »Halt!« Geisterhaft drang der Schrei aus den hinteren Räumen zu ihm. Die Silhouette der Gestalt zeichnete sich vor den gebogenen Fenstern ab, bevor sie mit quecksilbriger Geschwindigkeit durch den Türbogen schoss und zur Dienstbotentreppe rannte. Es sah aus, als würde sich ein wendiger schwarzer Fleck eine heiße Verfolgungsjagd mit ihr liefern.
    Osborne rannte ebenfalls los, achtete nicht auf die herabstürzenden Balken und um sich greifenden Flammen. Er wagte nicht, sich vorzustellen, welche schmutzigen Tricks Lady Serena noch im Ärmel hatte. Sofia hingegen standen keine anderen Waffen zur Verfügung als ihr Mut und ihr unbestechliches Ehrgefühl.
    Wohl kaum ein fairer Kampf.
    Am Treppenaufgang blieb er kurz stehen und lauschte, ob die Verfolgungsjagd sich vielleicht nach oben verzogen hatte. Über seinem Kopf hörte er scharrende Schritte. Das Dach. Ja, das ergibt Sinn, dachte er und eilte weiter. Höchstwahrscheinlich hatte sich wegen des Feuers bereits eine Menschentraube um den Eingang zum Stadthaus versammelt - die Behörden eingeschlossen. Lady Serena musste begriffen haben, dass sie nur dann den Hauch einer Chance zur Flucht besaß, wenn es ihr gelang, auf das Dach eines benachbarten Hauses zu klettern. Im Schutz der Dunkelheit und der allgemeinen Verwirrung würde es von dort aus nicht besonders schwierig sein, unbemerkt unterzutauchen.
    Eine enge Luke öffnete sich auf die flachen Fliesen, die sich der Länge nach ausstreckten; das niedrige Geländer aus Portlandsteinen grenzte den Bereich ein, an den sich die Schieferschindeln des Daches in einer kurzen, aber zu allen Seiten steil abfallenden Neigung anschlossen. In der Dunkelheit ist das Fundament sicher trügerisch, dachte Osborne, aber es ist zu schaffen.
    Er hob den Kopf und suchte in den Schatten, die seinen Blick immer wieder trübten, nach Sofia. Und nach Lady Serena. Rauchwolken stiegen auf, um sich im schwindenden Mondlicht aufzulösen. Die Nacht war in ein schauriges Licht getaucht, das aus einer anderen Welt zu stammen schien. Es war hell genug, um die beiden hinter einem der großen Schornsteine auftauchen zu sehen.
    Genau wie er befürchtet hatte, war Sofia unbewaffnet. Lady Serena schien ebenfalls keine Pistole bei sich zu tragen, aber sie war auch nicht mit leeren Händen aus ihrem Zimmer geflüchtet: Mit der Faust umklammerte sie einen dicken Ochsenziemer.
    Die Schnur schnellte nach vorn, verfehlte Sofias Gesicht nur um Haaresbreite.
    Sie zuckte nicht. »Sie sollten sich lieber ergeben, Lady Serena, und weiteres Blutvergießen vermeiden.«
    »Wie einfältig Sie doch sind! Glauben Sie ernsthaft, dass mich das interessiert?«, entgegnete Lady Serena, als sie die Lederschnur wieder an sich zog. »Im Gegenteil, ich würde großes Vergnügen dabei empfinden, Sie auf der Terrasse unter Ihnen mit zerschmetterten Knochen liegen zu sehen, bevor ich die Flucht ergreife.«
    »Es wird keine Flucht geben«, erwiderte Sofia. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie

Weitere Kostenlose Bücher