Die Schatten der Vergangenheit
schließlich.
»Den Burschen schnappe ich mir. Der kann sich auf was gefasst machen!«, rief er. »Erin, alles in Ordnung mit dir?«
Erin lächelte. »Jepp. dank Remy! Und sich Alcais vorzuknöpfen, ist nicht nötig. Das hat Remy schon erledigt.«
Mein Großvater schaute finster. »Schon gehört.«
Delia musste ihm davon erzählt haben. Alcais hätte nie im Leben zugegeben, dass ich ihm eins ausgewischt hatte. Dann hätte er sich ja verraten müssen.
Ich sprang vom Waschtisch herunter und hielt dabei meine Hand an den Bauch. »Können wir gehen, Franc? Ich bin müde.«
Auf dem Heimweg konzentrierte ich mich darauf, meine Hand zu heilen. Danach setzte der Schüttelfrost ein, und ich starrte aus dem Fenster, um klarzustellen, dass ich keine Lust zum Reden hatte, und Franc drängte mich nicht.
Als ich mit meiner verletzten Hand in dem Badezimmer gesessen hatte, hatte ich mir überlegt, ob die Reise nach Kalifornien nicht vielleicht ein Fehler gewesen war. Was hatte ich bisher eigentlich davon? Ein paar Informationen, ja gut, aber nichts, was Asher und mir wirklich weiterhalf. Nicht mal zu der Bibliothek der Heilergemeinde hatte ich mir Zutritt verschaffen können! Im Grunde war der Schaden größer als der Nutzen. Ich lief Gefahr, Asher zu verlieren, und ich log meine Familie an. Und nun hatte ich diesen Heilern, deren Versuchskaninchen ich abgeben sollte, auch noch meine Fähigkeiten offenbart.
Was ich allerdings nicht missen wollte, waren meine neu entdeckten Beziehungen zu meinem Großvater und Erin. Ich bereute es nicht, sie kennengelernt zu haben, aber welchen Preis würde ich dafür bezahlen müssen? Abgesehen von meiner verbrannten Hand?
Mein Großvater parkte den Truck vor dem weißen Schindelhaus und schaltete den Motor ab. Er machte keine Anstalten auszusteigen, und ich wartete.
»Ich glaube, ich verstehe, warum du nicht damit herausgerückt bist, was du so alles drauf hast«, meinte er dann ein wenig flapsig.
Von draußen fiel nur wenig Licht in den Truck, weshalb ich seinen Gesichtsausdruck kaum sehen konnte. Ich hatte mit Wut und Gepolter gerechnet, und als das ausblieb, konnte ich nicht sagen, was er von dieser letzten Entdeckung hielt.
Er klopfte mit den Fingern aufs Lenkrad. »Deine Fähigkeiten … das muss einem Angst einjagen. Wann hast du herausbekommen, dass du Menschen auch verletzen kannst?«
In dem Seitenspiegel wirkte mein Spiegelbild blass. »Als Dean vor ein paar Monaten versucht hatte, mich zu erwürgen.«
Mein Großvater fluchte leise vor sich hin. »Zu dumm, dass dieser Mensch untergetaucht ist. Sonst würde ich ihm den Hals umdrehen!«
Ich schwieg.
»Hör mal, Remy. Ich möchte nicht, dass du am Wochenende wieder nach New York fliegst. Ich finde, du solltest für immer hierbleiben.«
Ruckartig drehte ich mich herum und sah ihn an. Dass er diesen Wunsch äußern könnte, hatte ich mir schon gedacht, aber er hatte in den vergangenen Wochen nie eine Andeutung fallen lassen, und ich wusste jetzt erst mal gar nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Mein Großvater legte einen Arm auf die Rücklehne des Sitzes und hob beschwichtigend eine Hand, als ich protestieren wollte.
»Ich weiß, du hast dort Freunde, bei denen du wohnen kannst, aber du brauchst Familie und Leute um dich herum, die verstehen, was und wer du bist. Im Gegensatz zu deinenFreunden könnten wir dir helfen, falls du je in Gefahr geraten solltest.«
»Franc, das ist sehr lieb, und ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber …« Aber ich habe in Blackwell Falls Familie. Eine Familie, die ich gerade erst entdeckt habe. Und einen Freund, den ich liebe!
»Du hattest bisher verdammtes Glück, meine Kleine! So ein verdammtes Glück, dass da eine Glücksfee im Spiel gewesen sein muss. Du weißt nicht, wie man Beschützer ausfindig macht, und noch viel weniger, wie man ihnen entkommt, wenn sie einen aufgespürt haben.«
Ich erkannte Beschützer mit einer einzigen Berührung, außerdem fühlte sich ihre Energie anders an. Durch mein Training mit Gabriel hatte ich mich in dieser Hinsicht auch noch verbessert. Und mit den Fähigkeiten, die mir geblieben waren, nachdem ich Ashers Energie absorbiert hatte, konnte ich mich bis zu einem gewissen Grad verteidigen. Nur konnte ich all das meinem Großvater ja schlecht erklären.
Er senkte die Stimme. »Vergiss nicht, dass die Beschützer immer Jagd auf dich machen werden. Du setzt das Leben deiner Freunde aufs Spiel, wenn du bei ihnen bleibst. Für den Feind sind sie reine
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