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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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warm an. Daß es keinen bräunlichen Schimmer aufwies, sondern durch und durch grau erschien, konnte auch eine optische Täuschung sein. Es war mittlerweile fast vollkommen dunkel.
    Niemand sprach es aus, dennoch war ihnen allen klar, daß sie nicht zufällig auf das Boot gestoßen waren. Der alte Fluß würde sie tragen – wie jene, die ihnen vorausgegangen waren. So war es bestimmt, und so würde es sein. Megotei h a leb, namut katete.
    Sie waren zu siebent, und so gab es auch sieben Plätze an Bord: sechs auf den Sitzbänken und einen am Steuer. Martin spürte die auf ihn gerichteten Blicke und wußte, daß ihn seine Ahnungen nicht getrogen hatten: Er würde wieder das Kommando über ein Schiff übernehmen – ein letztes Mal. Daß es nur ein einfaches Segelboot war und kein perfekt ausgerüstetes Raumschiff, änderte wenig. Die Männer erwarteten, daß er sie sicher ans Ziel brachte. Sie vertrauten ihm, wie ihm auch andere vertraut hatten: die Soldaten des Aufklärungskommandos zum Beispiel, die Martin als junger Pilot hinter den feindlichen Linien abgesetzt hatte, oder Victor Gomez, der mit ihm zusammen in der Landekapsel gesessen hatten, damals. Nichts von dem, was ihnen widerfahren war, war seine Schuld gewesen. Und dennoch ...
    »Worauf warten wir noch?«
    Obwohl Flemming nicht laut gesprochen hatte, zuckte Martin innerlich zusammen. Doch er fing sich schnell und gab die notwendigen Anweisungen.
    Es gelang ihnen mühelos, das Boot zu Wasser zu lassen. Zwei der Männer hielten es im Gleichgewicht, während die anderen einstiegen. Das Wasser im Fluß war wärmer als erwartet. Genaugenommen spürten sie überhaupt keinen Temperaturunterschied, obwohl keiner von ihnen trockenen Fußes seinen Platz im Boot erreichte. Martin glaubte sich zu erinnern, schon einmal Ähnliches wahrgenommen zu haben, aber die Erinnerung blieb vage.
    Im Moment waren derlei Betrachtungen auch unerheblich. Er hatte ein Boot zu steuern, und das erste, um das er sich kümmern mußte, war eine Lichtquelle. Mittlerweile war es so dunkel, daß die Wände des Cañons kaum noch zu erahnen waren. Wenn sie das Boot in dieser Dunkelheit der Strömung anvertrauten, würden sie schnell Schiffbruch erleiden. Er konnte das Boot nur steuern, wenn wenigstens eine grobe Möglichkeit der Orientierung bestand. Vorsichtig fuhr Martin mit der Hand über das Holz der Heckbank, bis er gefunden hatte, was er suchte: eine schalenförmige Vertiefung, die mit einer körnigen Substanz gefüllt war. Vermutlich war das der Brennstoff. Jetzt brauchte er nur noch etwas zum Anzünden. Martin wußte, daß er nichts dergleichen mitführte, dennoch kontrollierte er zur Sicherheit seine Taschen, natürlich ohne Erfolg. Also mußte er an Bord weitersuchen. Er tastete die Umgebung der Feuerstelle ab und wurde zu seiner eigenen Überraschung tatsächlich fündig. Es war ein ovaler Gegenstand von einem knappen Zoll Größe, der sich anfühlte wie ein ausgeblasenes Vogelei. Ein Zündmechanismus war nicht erkennbar, dennoch wußte Martin, was er zu tun hatte: Er preßte das Ei über der Feuerstelle so fest mit Daumen und Zeigefinger zusammen, daß es zerbrach. Dann ließ er es fallen. Es gab ein knisterndes Geräusch wie von einer elektrischen Entladung, und im nächsten Augenblick loderte in der Schale ein grün sprühendes Feuer auf.
    Für einen Augenblick geblendet, schloß Martin die Augen. Dann wandte er sich um und ließ seinen Blick flußabwärts schweifen. Der Weg schien frei und die Strömung so schwach, daß er keine Verwirbelungen auf der dunklen Wasserfläche ausmachen konnte.
    »Großartig, Mr. Lundgren«, ließ sich Borodin, der ehemalige Schachweltmeister, vernehmen. »Was war das denn? Sind Sie wirklich sicher, daß Sie keiner von denen sind?«
    »Nein«, erwiderte Martin, ohne auf den scherzhaften Ton des Russen einzugehen. »Das bin ich nicht.« M e gotei haleb. Dann gab er das Kommando zum Ablegen.
     
    Die Frauen brauchten nicht lange, um eine Entscheidung zu treffen. Sie hatten immer gewußt, daß dieser Tag kommen würde, doch anders als ihre Männer hatten sie den Abschied so wenig gefürchtet wie ein Spiegel die Tränen dessen, der in ihn hineinblickt.
    Jetzt, da es vorbei war, würden sie dorthin zurückkehren, von wo sie gekommen waren – nach Limaron. Der Begriff ließ sich nicht in eine menschliche Sprache übersetzen; er bedeutete soviel wie »Heimat«, »Gleichgeartete«, »Geborgenheit«, »Bibliothek« und »Meditationsraum«. Sie würden nicht

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