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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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ihnen der Ruf die Entscheidung abgenommen.
    Zu ihrer Erleichterung hatte es keine tränenreichen Abschiedsszenen gegeben an diesem Morgen, nur ein stummes Kopfnicken und eine letzte flüchtige Berührung, die in ihrer Unbestimmtheit seltsam tröstlich gewesen war.
    Dennoch drehten sich die Männer nicht um, als sie gingen. Sie fürchteten nicht, zu Stein zu erstarren, wenn sie zurückblickten, aber sie ahnten, daß es weh tun würde, selbst wenn da nur ein Schatten im Fenster zu sehen war. Ihre Gedanken waren ohnehin bei jenen, die sie zurückgelassen hatten: Was würden sie tun, jetzt, da sie allein waren? Einfach verschwinden, ebenso unverhofft, wie sie aufgetaucht waren, und wenn ja, wohin? Oder würden sie weiter ihren täglichen Verrichtungen nachgehen, als sei nichts geschehen? Waren sie überhaupt noch zu irgendwelchen Handlungen fähig angesichts der Tatsache, daß niemand mehr etwas von ihnen erwartete? Keine dieser Fragen würde sich je beantworten lassen, und das war auch gut so. Es gab Dinge, die besser im Verborgenen blieben ...
     
    Sie trafen sich am Fuß der Berge auf einem ehemaligen Rastplatz, den die Betreibergesellschaft beim Bau der Eastern Stee l way hatte anlegen lassen. Eine Zeitlang war er bewirtschaftet worden, aber das war lange her. Jetzt ragten nur noch der Betonsockel und eine Handvoll stählerner Streben aus dem Flugsand heraus. Die Straße selbst schien bislang kaum Schaden genommen zu haben, allerdings war die Fahrbahn durch eine Vielzahl von Sandverwehungen und Wanderdünen blockiert. Der Mars hatte es nicht eilig, die Relikte der Kolonisation zu tilgen. Ihm gehörten Vergangenheit und Zukunft. Aber das hatten die Kolonisten nicht geglaubt.
    Die Männer wußten es. Jetzt. Ihre Ahnungen hatten sie nicht getrogen. In dieses Tal gehörte keine Straße und erst recht kein Fahrzeuglärm. Das Dröhnen der Turbinenwagen war mittlerweile verstummt, aber noch hielt das Menschenwerk den Kräften der Erosion stand. Es war eine gute, stabile Straße, von erfahrenen Ingenieuren geplant und von Hunderten Arbeitern mit schwerem Baugerät in mehr als zehnjähriger Bauzeit errichtet. Zwei Milliarden Dollar hatte dieses erste Teilstück der geplanten planetenumspannenden Magistrale gekostet – eines der ehrgeizigsten Projekte der Marsgesellschaft, das nur einen einzigen Makel hatte: Das Land, auf dem man bauen wollte, war bereits vergeben ...
    Das alles wußten die Männer, wie sie auch wußten, daß der Versuch, den Mars in eine neue Erde zu verwandeln, auf dem gleichen Irrtum beruhte. Dennoch deprimierte sie der Anblick der sterbenden Straße, die wie die Träume und Hoffnungen ihrer Erbauer allmählich im Sand begraben wurde.
    Der Spielzeugmann kam als letzter. Er hatte – wie sie alle – keine Rummdogs dabei. Die Entscheidung mußte ihm schwergefallen sein, schließlich waren die Mechanowesen seine eigene Erfindung. Die Hunde hätten ihnen auch heute gute Dienste leisten können, aber aus irgendeinem Grund waren die Männer überzeugt davon, daß es nicht richtig wäre, sie mitzunehmen. Und so hatte Julius Fromberg wohl zweimal Abschied nehmen müssen an diesem Morgen ...
    Jetzt, da sie vollzählig waren, gab es keinen Grund mehr, den Abmarsch aufzuschieben. Arif Tursun, der mit seinem dunklen Mantel und dem dichten Vollbart wie ein Wanderprediger aussah, übernahm die Führung. Die anderen folgten wortlos.
    Sie gingen langsam, obwohl die dünne Sandschicht über dem Beton ein schnelleres Marschieren erlaubt hätte. Vielleicht lag es daran, daß sie für gewöhnlich allein unterwegs waren und es nicht gewohnt waren, sich anderen anzupassen. Oder ihnen waren doch noch Bedenken gekommen angesichts der Endgültigkeit dessen, was sie am Ende ihres Wegs erwartete.
    Das erste Hindernis kam zur richtigen Zeit – eine mächtige Sanddüne, die sich wie ein Wall vor ihnen erhob und den Weg versperrte. Wie Bergsteiger im Tiefschnee stapften sie aufwärts und versanken dabei bis zu den Knien im Sand. Die Anstrengung trieb ihren Puls in die Höhe, und als sie schließlich den Scheitelpunkt des Sandwalls erreicht hatten, empfanden sie beinahe so etwas wie Stolz. Sie waren lange nicht mehr unter freiem Himmel unterwegs gewesen, und die Untätigkeit hatte Selbstzweifel genährt. Sicher, die Düne war kein echter Prüfstein, dennoch tat es gut, das Hindernis aus eigener Kraft bewältigt zu haben. Als sie hangabwärts stapften, spürten sie, wie ihre Schultern sich strafften. Das Atmen fiel ihnen leichter, und

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