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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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und Vorhänge sind  auch an den  Fenstern ...«
    Doch Sergej hatte schon das Gartentor geöffnet und war eingetreten. »Na, komm schon. Hier ist niemand außer uns.«
    Sie gingen über den kiesbedeckten Weg zum Haus.
    Die Eingangstür schien neu zu sein – glattes braunes Holz und ein messingfarbener Türknauf über dem modernen Sicherheitsschloß. Lena spürte, wie sich ihr Pulsschlag ein wenig beruhigte. Das war nicht mehr jene Tür, an die die Männer manchmal noch spät in der Nacht geklopft und nach ihr gerufen hatten ...
    »Du hast einen Schlüssel?« stieß sie überrascht hervor, als Sergej sich nach vorn beugte um aufzuschließen. »Woher?«
    Sergej antwortete nicht sofort. Erst als die Tür aufschwang, wandte er sich ihr zu und lächelte geheimnisvoll. »Verrat‘ ich nicht. Komm schon!«
    »Na, komm schon. Lenotschka, mein Täubchen«, echote die Stimme in ihrem Kopf. »Worauf wartest du noch?«
    Lena blieb abrupt stehen. Nein, sie konnte da nicht hineingehen, nicht in dieses Haus, nicht in den halbdunklen Flur, in dem es nach kaltem Rauch und noch etwas anderem, ungleich Widerwärtigerem riechen würde. Was, wenn die Tür zur Küche offenstand? Was, wenn sie immer noch da lag ...?
    »Ich will das nicht«, flüsterte sie unglücklich, den Blick zu Boden geheftet. Sie konnte nicht weitergehen, selbst wenn sie gewollt hätte. Ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr.
    »Warte, ich mach‘ uns Licht!«
    Etwas klickte, und obwohl Lena das Herz bis zum Hals schlug, mußte sie ganz einfach hinsehen, vielleicht auch nur, um einen Grund zu haben, endlich davonzulaufen.
    Doch was war das? Der Korridor wirkte viel heller und breiter, als sie ihn in Erinnerung hatte. Waren die Räume schon immer so hoch gewesen? Und was war das für eine Treppe?
    Lenas Blick glitt über sauber tapezierte Wände, dunkel gebeizte Holztüren und glänzende Dielen, doch da war nichts, das ihr bekannt erschien. Noch immer war sie nicht sicher, ob sie ihren Sinnen trauen konnte. Was, wenn das alles nur ein Trick war, um sie hineinzulocken, dorthin, wo sie auf Lena wartete?
    »Die Regale sind noch nicht geliefert«, sagte Sergej und lächelte entschuldigend. »Deshalb liegen die meisten Sachen noch in der Kreisverwaltung ...«
    »W ... was?« Lena starrte ihn entgeistert an. »Welche Sachen? Wovon redest du überhaupt?«
    Sergej schien einen Augenblick lang irritiert, doch dann grinste er übers ganze Gesicht, als er wie beiläufig bemerkte: »Ach, ich dachte, ich hätte dir von dem Archiv erzählt, das die Stadt hier einrichten will.«
    »Und deshalb habt ihr das ganze Haus umgebaut?« Lena konnte es noch immer nicht fassen. Sie versuchte die Erinnerungen abzuwehren, die sich in ihr Bewußtsein drängten. Vergeblich. Der halbdunkle Flur, das Knarren der Dielen unter ihren Schritten, die spaltbreit geöffnete Küchentür ... Mama, bist du da? ... der Geruch nach Rauch und Erbrochenem ... M a ma – neiiin! ...
    Lena fuhr zusammen wie unzählige Male zuvor, doch als sie den Blick hob, war die Tür verschwunden. Dort, wo sie sich damals befunden hatte, war nichts als glatte, frisch tapezierte Wand.
    Sie ist nicht mehr hier!
    Lena hätte es nur zu gern geglaubt. Aber hatte sie nicht eben noch ihre Stimme gehört? Oder hatte sie sich das alles nur eingebildet? Schließlich war Alexandra Romanowa seit mehr als dreißig Jahren tot. Und wenn nicht?
    Eine zugemauerte Tür bedeutete gar nichts. Wenn Lena Gewißheit haben wollte, mußte sie herausfinden, was sich hinter dieser Mauer befand. Bis zur nächsten Tür – es war die einzige auf dieser Korridorseite – waren es nur ein paar Schritte ...
    »Es ging leider nicht anders«, erklärte Sergej, der Lenas Gesichtsausdruck als Mißbilligung deutete. »Das Dach war undicht und die meisten Balken durchgefault – gefällt es dir nicht?«
    »Natürlich gefällt es mir«, erwiderte Lena und zwang sich zu einem Lächeln. »es ist nur ein wenig ... ungewohnt. – Was ist eigentlich hier drin?« Sie deutete auf die zweiflüglige Tür gegenüber.
    »Ach, der Ausstellungsraum«, erwiderte Sergej ein wenig verlegen. »Die Stadt hat da einen jungen Mann angeheuert – einen Künstler. Ich weiß nicht, ob es ihm recht wäre ...«
    »Das ist mir egal. Ich will es sehen.« Lenas Stimme klang fest, doch der Boden unter ihren Füßen fühlte sich an wie Treibsand.
    »Gut, wie du meinst.« Sergej ging ein paar Schritte nach rechts und öffnete einen in der Wand verborgenen Schaltkasten. »Ich muß nur das Licht

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