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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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die Kehle durchschneiden und sie dann wie ein Stück Vieh ausweiden. Wenn du es nicht verhinderst, Martin.«
    »Woher wollen Sie das wissen?« flüsterte Martin zweifelnd.
    Das Mädchen schien etwas gehört zu haben und öffnete mit einem Lächeln eine unsichtbare Tür.
    »Jetzt!« rief der Fremde. »Uns bleibt keine Zeit mehr!«
    Im gleichen Augenblick taumelte die junge Frau zurück und griff sich mit beiden Händen an den Hals. Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor, viel Blut.
    Martin stand wie versteinert und beobachtete, wie eine unsichtbare Kraft das Mädchen an den Haaren emporriß und seinen Hals mit einem neuen Schnitt halb durchtrennte. Eine hellrote Fontäne schoß aus der klaffenden Wunde, während der Körper des Mädchens erschlaffte. Die Kugel zerbarst mit einem dumpfen Blob, und Martin taumelte erschrocken zurück.
    »Narr, Feigling, Dummkopf!« ereiferte sich Francetti. Seine Augen blitzten vor Zorn. »Du hättest sie retten können, sie vor diesem Monstrum beschützen. Aber du bist und bleibst ein Feigling!«
    »Es ging alles so ... schnell«, versuchte sich Martin zu entschuldigen, doch der Fremde hatte sich schon wieder beruhigt.
    »Also gut, Martin«, erklärte er im Tonfall eines Lehrers, der sich mit einem besonders hartnäckigen Fall von Begriffsstutzigkeit konfrontiert sieht. »Zwei Möglichkeiten hast du ausgelassen, jetzt bleibt dir nur noch eine einzige. Oder hast du es dir mittlerweile anders überlegt?«
    Martin schüttelte den Kopf. Wenn er die Augen schloß, konnte er die weißen Schaumkronen der Wellen sehen, die träge an den Strand rollten. Er spürte den salzigen Geschmack des Meeres auf der Zunge und roch den Duft unzähliger Blüten. Nein, er wollte zurück. Nach Hause ...
    Francetti schien nichts anderes erwartet zu haben und zwinkerte ihm aufmunternd zu: »In Ordnung, jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, daß deine zarte Seele bei dieser Operation keinen Schaden nimmt. – Ja, das dort drüben könnte eine Möglichkeit sein ...«
    »Wovon sprechen Sie?« erkundigte sich Martin ungeduldig, während der Fremde mit raschen Schritten voranging, bis er das Gesuchte gefunden hatte.
    »Ich spreche von Masaru Tanaki, 38 Jahre alt«, erwiderte Francetti und zeigte Martin die entsprechende Kugel. »Er ist Pilot und einziges Besatzungsmitglied der ›Hernes‹, eines Versorgungsschiffes der lunaren Allianz. Unglücklicherweise befindet sich das Schiff auf Kollisionskurs mit einem faustgroßen Meteoriten, der in etwa zwei Minuten die Kabinenwand mit der Wucht eines Artilleriegeschosses durchschlagen wird. Der Unterdruck wird Tanakis Augen aus den Höhlen reißen und seine Lungen explodieren lassen. Ein Ende, das du ihm ersparen solltest ...«
    Betroffen starrte Martin auf den schmächtigen Asiaten, der bequem zurückgelehnt in einem imaginären Pilotensessel saß und an unsichtbaren Schaltknöpfen hantierte. Tanaki, der Name sagte ihm irgend etwas, aber die Erinnerung war zu vage, um eine konkrete Assoziation hervorzurufen.
    Außerdem wurde die Zeit knapp. Die »Hernes« und ihr ahnungsloser Pilot rasten dem Untergang entgegen. Wenn er zu lange zögerte, würde Tanaki in ein paar Sekunden die Reste seiner gefrorenen Lungen ausspeien ...
    Martin packte das Messer fester und holte aus.
    Der Fremde lächelte sein gewinnendes Dompteurlächeln und nickte unmerklich.
    Der »Hernes« und Masaru Tanaki blieben jetzt nur noch Sekunden .
    »Ich muß es tun«, flüsterte Martin lautlos und stieß zu.
    Die silberne Klinge des zwanzig Zentimeter langen Stiletts fand ihr Ziel wie von selbst.
    Im Inneren der schillernden Seifenblase jagte der Pilot Tanaki in seinem unsichtbaren Raumschiff weiter der Mondbasis entgegen. Es gab keinen Meteoriten, hatte nie einen gegeben, würde nie einen geben.
    Martin hatte es in den Augen des Fremden gelesen.
    Emilio Francetti war tot. Die Klinge steckte noch immer in seiner Brust, dort, wo sich bei Menschen das Herz befindet.
    Als die regenbogenfarbenen Kugeln verschwanden und die Wände durchscheinend wurden, wußte Martin, daß er die Prüfung bestanden hatte.
    Der Wüstensand war immer noch rot, aber der Himmel hatte sich verändert. Er war nachtschwarz, und das kalte Licht der Sterne mischte sich mit den purpurfarbenen Strahlen einer fernen, müden Sonne.
    Die Landekapsel stand kaum hundert Meter entfernt in den Dünen – ein matt glänzendes Rieseninsekt mit aufgerichteten Antennenfühlern. Ein paar Schritte daneben lag etwas Dunkles im Sand, das aus der

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