Die Schatten des Mars
Lippen stand. Sie ähnelte jemandem, den Martin kannte, gekannt hatte, aber das war natürlich Unsinn. Beinahe unwillkürlich glitt sein Blick dorthin, wo sich ihre übereinandergeschlagenen Oberschenkel trafen. Der schmale Stoffstreifen ihres Bikiniunterteils war ein wenig verrutscht ...
Als die Dunkelhaarige aufsah und ihn durch die verspiegelten Gläser ihrer Sonnenbrille geschützt sekundenlang musterte, schoß ihm die Röte ins Gesicht. Die junge Frau lächelte, nippte an ihrem Glas und wandte sich wieder ihrer Lektüre zu.
Ob sie allein hier war?
»Du bist zwanzig Jahre alt, Martin Lundgren«, flüsterte eine spöttische Stimme in seinem Kopf. »Ist es nicht großartig, so jung zu sein? Und am Leben ... ha ha?«
Erschrocken fuhr Martin zusammen.
Noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, verblaßten der azurfarbene Himmel, die Blüten und das Grün der Weinstöcke. Die Dunkelhaarige ließ ihr Buch sinken und sah erneut zu ihm herüber. Plötzlich gerieten ihre Gesichtszüge in Bewegung, verzogen sich zu einer androgynen Grimasse und verwandelten sich schließlich in die Francettis, der Martins Verwirrung sichtlich genoß.
Schwarz glänzte der Samt an den Wänden, die sich erneut mit schillernden Kugeln füllten, während die rote Wüste draußen Strand und Meer verschlang.
»Kennst du das Märchen vom Fischer und seiner Frau?« lachte Emilio Francetti, und Martin haßte ihn dafür.
Das Lächeln glitt von den Mundwinkeln des Fremden, und seine dunklen Augen musterten Martin ernst und nachdenklich. »Wir sollten zum Geschäft kommen, mein Freund. Nicht, daß mich die Unterhaltung mit dir langweilen würde, aber die Zeit drängt. Mein Angebot kennst du ja nun.«
»Welches Angebot?«
»Ein neue Chance«, versetzte Francetti mit einer Spur von Ungeduld in der Stimme. »Keine ewige Jugend, keine Garantie für Gesundheit und Glück, einfach ein neues Leben in einer Umgebung, die dir etwas vertrauter ist als diese hier.« Unwillkürlich folgte Martins Blick der Geste des Fremden hinaus in die Wüste.
»Warum sollte ich Ihnen glauben?« erkundigte er sich heiser. »Und was wollen Sie dafür haben – meine Seele?«
Der Fremde lachte. Und das Schlimme daran war, daß Francettis Lachen keineswegs boshaft oder höhnisch klang, sondern einfach nur amüsiert.
»O amico mio, deine ... Seele«, brachte der Italiener mühsam zwischen zwei Lachsalven hervor. »das ist wirklich ... köstlich.«
»Was verlangen Sie sonst?« Martin mochte es nicht, wenn er ausgelacht wurde. Nicht einmal hier, am Ende der Welt.
Am Ende der Welt?
Martin spürte, wie sein Mund trocken wurde, als der Fremde unvermittelt aufstand und nach ein paar Schritten in einer Öffnung zwischen den samtschwarzen Wänden verschwand. Er beeilte sich, ihm zu folgen und stand plötzlich in einem endlos erscheinenden Gang, dessen Wände allesamt bis an die Decke mit schillernden Kugeln gefüllt waren. Was er von draußen für eine geschickte optische Täuschung gehalten hatte, war in Wirklichkeit der Aufbewahrungsort von Tausenden und Abertausenden jener merkwürdigen Objekte, die Francetti als »Seifenblasen« bezeichnete.
»Du möchtest dir also ein neues Leben verdienen?« erkundigte sich der Fremde lächelnd, der nur ein paar Meter entfernt auf ihn gewartet hatte. »Das ist leider nicht ganz einfach, weil gewisse Umstände dagegensprechen.«
»Welche Umstände?«
»Umstände, die mit der Natur dieser kleinen Wunderwerke zu tun haben«, erwiderte Francetti und reichte Martin eine der schillernden Kugeln. »Greif ruhig zu, sie sind stabiler, als du annimmst.«
Vorsichtig nahm Martin die zerbrechlich scheinende »Seifenblase« entgegen und hätte sie dennoch um ein Haar fallen gelassen.
Die Kugel war körperwarm und elastisch wie ein zu weich aufgepumpter Gummiball. Martin konnte spüren, wie sich die schillernde Hülle unter dem Druck seiner Hände verformte. Obwohl die über die Oberfläche tanzenden Farbschlieren das Innere der Kugel weitgehend verbargen, erkannte er, daß sich etwas darin bewegte. Neugierig beugte er sich über einen transparent erscheinenden Fleck und erkannte zu seiner Überraschung ein winziges, kaum spannengroßes Wesen, das mit verbissenem Gesicht und splitterfasernackt auf der Stelle lief. Die offenkundige Vergeblichkeit seiner Bemühungen schien es nicht zu bemerken, oder es störte sich nicht daran.
»Was ist das?« murmelte Martin verblüfft. »Ein Hologramm?«
»Nicht doch, mein Freund, das ist Steven G.
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