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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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schüttete den Kapselinhalt hinein. Dann schloß er die Sicherheitsklappe und schaltete den Temperaturregler auf 200°C. Während die Rhodium-Elemente die Probe erhitzten, aktivierte er das Spektrometer und startete die Protokollierung. Es dauerte eine knappe Minute, bis ein Tonsignal das Erreichen der ersten Temperaturstufe bestätigte.
    »Na, dann wollen wir mal«, murmelte der Belgier und verspürte zum ersten Mal seit Wochen wieder ein Kribbeln in der Magengrube. Fast schon ein wenig ungeduldig aktivierte er die Sauerstoffzufuhr. Wenn tatsächlich Kohlenstoff in der Probe enthalten war, würde jetzt Kohlendioxid freigesetzt, und vielleicht gelang es ihnen heute ja tatsächlich, das bislang unauffindbare C12-Isotop nachzuweisen
    Zischend strömte der Sauerstoff in die Hitzekammer ... doch nein, das Geräusch klang irgendwie anders, und außerdem wurde die Sauerstoffzufuhr nach ein paar Sekunden automatisch unterbrochen ... ein Defekt?
    Es zischte weiter, laut, und es kam unzweifelhaft aus dem Verdampfer. Erst jetzt registrierte Claasen die Anzeige der Kammertemperatur: 613°C, dreimal mehr, als er eingestellt hatte! Das konnte nicht stimmen. So schnell heizte der Verdampfer nicht hoch. Die Probe ... vielleicht war das Zeug brennbar oder gar explosiv ...
    Das Zischen wurde lauter.
    Abschalten! war alles, was Claasen denken konnte, und doch dauerte es endlose Sekunden, bis er den Havarieschalter endlich gefunden und umgelegt hatte. Schlagartig erloschen sämtliche Anzeigen und Monitore.
    Was is‘n los bei dir da hinten?« meldete sich Ribero aus der Fahrerkabine.
    Claasen antwortete nicht. Er lauschte. Das Zischen war immer noch da. Nein, es wurde sogar lauter! Mit schreckgeweiteten Augen beobachtete Claasen, wie sich ein kirschroter Fleck auf der Metallfront des Verdampfers ausbreitete.
    Für Augenblicke saß er wie gelähmt, bis er die Hitze des glühenden Metalls auf der Haut spürte und plötzlich begriff: Eine Kettenreaktion!
    »Raus hier!« krächzte er mit vor Furcht entstellter Stimme und sprang so hastig auf, daß er mit dem Kopf gegen die Deckenverkleidung stieß. Der Schmerz ließ ihn einen Augenblick zur Besinnung kommen.
    »Wir müssen hier raus!« brüllte er Ribero an, der ihn immer noch verblüfft anstarrte. Als der Spanier endlich reagierte, hatte sich Claasen schon die Atemmaske übergestreift und einen der Sauerstofftornister ergriffen, die vor der Schleuse lagerten.
    Das Zischen hinter ihm war zu einem gefährlich klingenden Fauchen geworden, doch Claasen sah sich nicht um, sondern riß mit einer entschlossenen Bewegung den Hebel der Notentriegelung nach unten. Das Alarmsignal übertönte für ein paar Sekunden das fauchende Geräusch in Hintergrund. Claasen warf sich den Tornister auf den Rücken und ließ die Schlauchkupplung einrasten – keinen Augenblick zu spät.
    Als das äußere Schott der Luftschleuse zischend zur Seite glitt, riß ihn der Sog fast von den Beinen. Claasen stolperte nach vorn und konnte gerade noch den Kopf einziehen, bevor er durch die enge Öffnung nach draußen geschleudert wurde. Er kam ins Straucheln, fiel, raffte sich aber sofort wieder auf und begann zu laufen Weiter, nur weg!
    Claasen rannte, getrieben von seiner Furcht und jenem tiefen bösartigen Fauchen, das er immer noch zu hören glaubte, obwohl die dünne Atmosphäre jedes Geräusch zu einem Flüstern dämpfte. Er wußte, daß Ribero nicht weit sein konnte, auch wenn er nur für Sekundenbruchteile eine Bewegung hinter sich wahrgenommen hatte. Das eingeschränkte Sichtfeld der Maske hinderte ihn daran, sich Gewißheit zu verschaffen. Und noch wagte er es nicht, sich umzudrehen. Claasen lief weiter, bis es plötzlich hell wurde hinter ihm – so hell, daß sich sein Schatten schwarz vom Untergrund abhob.
    Geistesgegenwärtig ließ er sich zu Boden fallen, den Kopf in den Armen geborgen, doch der erwartete Hitzeschock blieb ebenso aus wie eine Druckwelle. Schwer atmend lag er da und lauschte, hörte aber nichts außer dem dumpfen Hämmern seines eigenen Herzschlags. Doch da war noch immer dieses weiße Licht, das den Boden ringsum in Helligkeit tauchte und harte Schatten warf.
    Als sich Claasen endlich ein Herz faßte und einen Blick nach hinten riskierte, sah er, daß der Rover in Flammen stand. Aber das war nur der erste Eindruck, den er korrigieren mußte, nachdem sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Das Fahrzeug brannte nicht, denn es gab kein Fahrzeug mehr, nur eine grellweiß leuchtende

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