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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Haus war – und der Briefumschlag auf dem Küche n tisch. Und trotzdem bin ich g e gangen ...
    »Ho ho, aber doch wohl ein bißchen zu spät«, höhnte die Stimme aus dem Dunkel. »Charlene Lundgren weiß weder wer, noch wo sie ist, wenn die Pfleger sie durch die grün getünchten Flure von Block C in den Garten führen, wo sie sich mit den Vögeln unterhält. Ein wahrhaft erfülltes Leben auf Kosten der Tricare Northeast – Respekt.«
    Martin ahnte, daß er einen Fehler gemacht hatte. Doch es war bereits zu spät, ihn zu korrigieren. Das Schattentor hatte etwas gefunden, womit es ihm weh tun konnte: Ein Bild, an das er sich nur zu gut erinnerte ...
     
    Ein großer, gepflegter Park mit einem Teich, an dem Wil d enten und Schwäne nisten. Kiesbedeckte Wege und zahlreiche Bänke, die den Spaziergänger zum Verwe i len einladen. Aber die Menschen auf den Bänken sind keine gewöhnlichen Spaziergänger, auch wenn man den meisten ihre Krankheit nicht sofort ansieht. Auch der weißhaarigen, ein wenig al t modisch gekleideten Dame nicht, die in ihrem früheren L e ben Charlene Lundgren hieß – Martins Mutter. Meist füttert sie Vögel und beobachtet zufrieden, wie ihre Schützlinge mit l u stig nickenden Köpfen hin und her eilen, um die besten Brocken zu ergattern. Wird sie von Fremden angespr o chen – und dazu zählen leider auch Martin und seine Schwester Betty, ihr Bruder Doug, dessen Frau Liz s o wie sämtliche Angestellten und Patienten des St. James – zuckt ihr Kopf herum, und sie mustert die Betreffe n den erschrocken und vollkommen verständnislos. Sie spricht nie; nur wenn sie sich bedroht fühlt, entringt sich ihrer Kehle ein mißtönendes Kreischen, das man mit viel Phantasie als »Geh weg« inte r pretieren könnte, obwohl es viel eher den Warnrufen ihrer gefiederten Freunde gleicht. Das St. James gilt als eines der bess e ren Sanatorien Neuenglands. Die Zi m mer sind hell und komfortabel eingerichtet, das Personal ist ko m petent und freundlich. Aber auch die freundlichsten Angestel l ten und die sachkundigsten Ärzte können der weißha a rigen, ein wenig altmodisch g e kle i deten Dame nicht wirklich helfen, und vielleicht möchte sie das auch gar nicht mehr...
     
    Das Bild verschwand, aber der Schmerz blieb und das demütigende Gefühl, versagt zu haben. Martin hatte dafür gesorgt, daß Flemming alljährlich einen nicht unerheblichen Betrag an das St. James überwies, aber das änderte nichts daran, daß er sich schuldig fühlte. Er war gegangen und hatte sie im Stich gelassen ...
    Dennoch vermochte die mentale Attacke Martin nicht einzuschüchtern, sondern bestärkte ihn sogar noch in seiner Entschlossenheit, dem Gegner die Stirn zu bieten. Nichts von dem, was ihm das Schattentor gezeigt hatte, war neu oder überraschend. Es waren seine eigenen Erinnerungen und Schuldgefühle, mit denen es ihn zu beeindrucken suchte. Doch es gab noch andere, schlimmere vielleicht, und er durfte ihm keine weitere Gelegenheit geben, sie gegen ihn einzusetzen.
    »Du kannst mich nicht aufhalten!« flüsterte er beschwörend und trat einen Schritt nach vorn.
    Brennender Schmerz durchflutete seinen Körper und ließ ihn zurücktaumeln. Eher erschrocken als ernsthaft verletzt betastete er seinen rechten Fuß, der für Sekundenbruchteile die Schattengrenze berührt hatte. Er fand nichts, keine schmerzende Stelle, keine Strommarke, keine noch so geringfügige Verletzung. Was auch immer den Schmerz ausgelöst hatte, es hatte nicht die geringste Spur hinterlassen ...
    Die beiden Rummdogs, die sein Vordringen mit sichtbarer Anspannung verfolgt hatten, ließen ein warnendes Knurren vernehmen. »Versuch das nicht noch einmal«, schienen sie ihm sagen zu wollen. »Es ist gefährlich.« Aus ihrer Sicht hatten sie zweifellos recht, aber sie waren Maschinen, keine Wesen aus Fleisch und Blut. Sie mochten nützliche Helfer sein, aber dieses Mal würde Martin nicht auf sie hören.
    Es mußte einen Weg geben, die Barriere zu überwinden. Er war davon überzeugt, daß sie in erster Linie der Abschreckung diente und nicht dazu, ihm oder anderen Menschen Schaden zuzufügen. Folglich waren die Schmerzen, die er empfunden hatte, keine »echten« Schmerzen, die von verletzten Nervenenden herrührten, sondern die Folge einer suggestiven Beeinflussung seines Gehirns.
    Aber woher wußte die Intelligenz, die den Zugang ko n trollierte, wo und mit welchem Teil seines Körpers er die Grenze übe r trat?
    Die Antwort war so trivial, daß sich

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