Die Schatten des Mars
geführt hatte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Wenn sie so viel über ihn wußten, wie er annahm, dann mußte ihnen auch klar sein, daß es einer derartigen Demonstration nicht bedurfte.
Die beiden Rummdogs zeigten angesichts der dramatischen Veränderung der Landschaft keine sichtbaren Anzeichen von Unruhe oder gar Überraschung. Merope behielt die vorher eingeschlagene Richtung bei, die in ihrer Fortsetzung zu einer jener bizarren Felsformationen führte, die den Charakter der Bruchstelle prägten.
Es handelte sich um zwei riesige Felsplatten, die schräg aufeinander zuliefen und eine Art Tor in Form eines umgekehrten V bildeten. Die Öffnung des Felsentores lag im Schatten, so daß sich seine Tiefe aus der Entfernung nicht feststellen ließ. Das dunkle Dreieck zwischen den im Licht der tiefstehenden Sonne kupferfarben schimmernden Felswänden wirkte auf seltsame Weise bedrohlich wie der Zugang zu einer düsteren Schattenwelt, aus der es keine Rückkehr gab.
Doch genau dorthin würde sie ihr Weg führen. Das wurde Martin in dem Augenblick klar, als er entlang der gedachten Linie zwischen ihrem gegenwärtigen Standort und dem Felsentor Spuren des Flußbettes entdeckte, in dem sie seit den Morgenstunden unterwegs waren.
Sandstürme und Erosion hatten die Uferhänge abgetragen, Wanderdünen große Teile des Tales unter sich begraben, doch es blieben genügend Hinweise, um seinen ehemaligen Verlauf zu erkennen.
Von widerstreitenden Gefühlen bewegt, folgte Martin den beiden Rummdogs, bis sie den Fuß des Berges erreicht hatten, auf dem das Felsentor thronte. Der Flußbett endete hier, und es war offenkundig, daß der Strom früher direkt in die gewaltige Höhle hineingeflossen war, deren unterer Teil jetzt mit Geröll und Sand verschüttet war.
Der verbliebene Teil des Höhleneingangs lag noch immer im Schatten, ein dunkles Riesenmaul, das aus der Nähe betrachtet noch furchteinflößender erschien als zu Beginn des Aufstiegs. Mittlerweile vermied es Martin, allzuoft nach oben zu schauen. Er ahnte, daß sie sich dem Ziel ihrer Reise näherten, und seine Beklommenheit nahm mit jedem Schritt zu.
Doch erst als am Ende des Geröllhanges die Wände des Felsentores wie Türme emporwuchsen, erkannte er, daß mit der vermeintlichen Öffnung etwas nicht stimmte. Der Durchgang ließ weiterhin keine auch noch so vage Struktur in seinem Inneren erkennen. Die Dunkelheit, die er ausstrahlte, war so absolut, daß Martin beinahe körperliches Unbehagen empfand.
Das war keine geologische Struktur, sondern etwas, das allen bekannten Naturgesetzen widersprach. Der Übergang zwischen den gewohnten räumlichen Strukturen der Außenwelt und der Schattenzone verlief so abrupt, als hätte jemand den Höhleneingang mit schwarzem Stoff verhängt – einem Stoff allerdings, der das Licht nicht reflektierte, sondern förmlich aufsaugte.
Selbst die Rummdogs schienen irritiert und drehten sich immer wieder nach Martin um, als erwarteten sie von ihm einen Hinweis, wie sie mit diesem seltsamen Ding umgehen sollten, das da vor ihnen lag. Deshalb war er auch nicht überrascht, als die Führungsleine plötzlich schlaff wurde: Merope war stehengeblieben, und auch Taygeta war nicht dazu zu bewegen, sich der Schattengrenze weiter zu nähern. Rummdogs kannten keine Furcht, deshalb mußte ihr Verhalten rationale Gründe haben. Wahrscheinlich hinderte ein Sicherheitsprogramm sie daran, auf ein Gebiet vorzudringen, über das sie keine Informationen besaßen.
Von jetzt an würde Martin seinen Weg allein fortsetzen müssen, und obwohl er geahnt, nein, gewußt hatte, daß dieser Zeitpunkt irgendwann kommen mußte, empfand er in diesem Moment nichts als lähmende Furcht.
Du kannst immer noch umkehren ...
Der Gedanke war verlockend, doch er würde ihm nicht nachgeben. Auch das Schattentor war Teil der Prüfung, davon war er überzeugt, und er würde sich nicht aufhalten lassen, nur weil sich seine Roboterhunde im Dunkeln fürchteten.
Martins Beine schienen jedoch anderer Auffassung zu sein. Sie verweigerten ihm zwar nicht direkt den Gehorsam, dennoch wurden seine Schritte mit jedem Meter, den er sich der Schattengrenze näherte, kleiner, bis er schließlich ganz stehenblieb.
»Na, komm schon!« lockte das dunkle Riesenmaul und blies ihm einen Schwall kühler Nachtluft entgegen. »Du hast doch nicht etwa Angst, Kapitän Lundgren?«
Angst? dachte Martin, natürlich habe ich Angst. Aber nicht mehr als damals, als plötzlich dieser Geruch im
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