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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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auf die Lichtung und sah, dass Coyle auf dem Boden lag und sich das zerschlagene Gesicht hielt. Die Beifahrertür stand offen.
    »Die Schlampe hat mich niedergeschlagen«, jammerte Coyle und rappelte sich hoch.
    Campbell suchte mit den Augen den Wald ab und hoffte, einen blonden Haarschopf aufblitzen zu sehen. Da vorne! Mit dem Kind auf dem Arm war sie noch nicht weit gekommen. Er zog die Pistole aus dem Hosenbund, die McGinty ihm gegeben hatte, und stürzte ihr in den Wald nach. Coyle folgte ihm keuchend und stöhnend.
    Selbst mit dem stechenden Schmerz im Bein und den Höllenqualen beim Atmen holte Campbell auf. Er konnte schon ihr panisches Hecheln hören. Er zielte mit der Pistole anderthalb Meter über ihren Kopf und drückte ab. Ein Schuss hallte durch den Wald. Marie warf sich zu Boden.
    Campbell humpelte auf die Frau zu. Ein wütender Schmerz durchzuckte ihn, er schrie auf. Er lehnte sich an einen Baum, presste die Hand an die Puppen und zielte mit der Pistole auf den Kopf der Frau. Sie lag auf dem Boden, zusammengekauert wie ein Kind. Aus verzweifelten Augen starrte sie zu ihm hoch.
    »Bitte lassen Sie Ellen gehen«, flehte sie. »Mich können Sie haben, nur lassen Sie das Kind gehen.«
    Campbell drückte sich vom Baum weg und hockte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht neben sie hin. Trotz der Qualen fühlte er etwas Bleischweres auf sich lasten. »Wenn Sie das noch einmal versuchen, bringe ich die Kleine vor Ihren Augen um.«
    »Bitte…«
    »Haben Sie das verstanden?« Campbell drückte die Mündung der Waffe gegen den blonden Schopf der Kleinen.
    Das Mädchen schien förmlich in seine Mutter hineinkriechen zu wollen, es floh vor der Pistole in ihre Arme.
    Maries Stimme war über das Rauschen der Bäume hinweg kaum zu hören, aber in ihren Augen stand der blanke Hass. »Wagen Sie es nicht, sie anzurühren.«
    »Los, zurück in den Wagen«, befahl Campbell. Er sah hoch und bemerkte Coyles entsetzten Blick. »Na los!«
    Ohne ein weiteres Wort liefen die vier zurück zum Lieferwagen. Als die Frau und ihr Kind wieder im Laderaum verstaut waren, schob Coyle die Seitentür zu und drehte sich zu Campbell um.
    »Hättest du es gemacht?«, fragte er.
    Campbell humpelte zur Fahrerseite. Coyle kam ihm nach und packte ihn am Ärmel. »Hättest du es gemacht?«
    Campbell erwiderte seinen stieren Blick. »Wir müssen los«, sagte er.

Schweinwerferlicht strich durch das Wageninnere des Jaguars. Toner nahm den Kopf von der beschlagenen Scheibe und hielt sich die geschwollene Hand. »Das ist er«, sagte er.
    Durch das milchige Fenster hindurch konnte Fegan soeben einen Volkswagen Passat ausmachen. Ein großer, kräftiger Mann stieg aus und kam humpelnd auf den Jaguar zu. Anderson. Fegan duckte sich hinter Toner auf die Rückbank und hörte den flachen Atem des Anwalts. Die Beifahrertür ging auf, ein kalter Luftzug fuhr ins Wageninnere und kühlte Fegans feuchte Stirn. Der Wagen federte sanft, als der schwergewichtige Polizist sich hineinsetzte.
    »Meine Güte, was ist denn mit dir passiert?«, fragte Anderson.
    Statt einer Antwort wimmerte Toner nur ängstlich vor sich hin.
    »Du siehst echt beschissen aus. Was ist mit deiner Hand passiert? Bist du besoffen?«
    »Ich … ich … ich …«
    »Hör mal, Patsy, was zum Teufel ist hier eigentlich los? Ich habe meine Frau im Restaurant sitzen lassen. Die reißt mir den Kopf ab, also was auch immer es ist, sag mir lieber …«
    Fegan setzte sich auf und hob die Walther.
    »Verfluchte Scheiße!« Anderson griff in seine Tasche und zog einen kleinen Revolver heraus. Fegan hatte damit gerechnet. Alle Bullen trugen Waffen zu ihrem persönlichen Schutz. Der Polizist schleuderte vom Beifahrersitz aus den Arm nach hinten. Fegan packte sein Handgelenk und zwang ihn, die Waffe auf die Rückscheibe zu richten.
    »O mein Gott!« Toner machte sich ganz klein und vergrub den Kopf in den Händen. Auf Andersons Augenbrauen sammelten sich Schweißtropfen, während er mit Fegan rang und den Revolver wieder unter Kontrolle zu bringen versuchte. Der Knall der kleinen Waffe in dem engen Raum war ohrenbetäubend. Fegan spürte, wie eine Kugel an seinem Ohr vorbeisauste.
    Der Knall ließ Toner aus seiner Starre erwachen. Er öffnete die Tür und ließ sich auf die Erde fallen. Fegan hörte einen Schrei, als Toner aufschlug, und dann das Trappeln von Füßen. Für einen flüchtigen Moment wandte er die Augen vom Gesicht des Cops ab und sah, wie Toner zwischen den herrenlosen Gebäuden

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