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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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verschwand.
    Fegan hob Anderson die Waffe an die Stirn, aber der Cop wehrte sich trotzdem weiter. Der Revolver ging noch einmal los, und Fegan spürte, wie Glassplitter auf seinen Rücken prasselten. Mit aller Kraft warf er sich gegen Andersons Arm und hielt dabei weiter das Handgelenk des Polizisten umklammert. Er drückte sich mit den Füßen an der Tür des Jaguars ab. Die Lehne des Beifahrersitzes klappte nach vorn. Fegan mobilisierte seine letzten Kräfte und drückte weiter. Er hatte die Zähne zusammengebissen, vor Anstrengung rauschte das Blut in seinem Kopf, dann gab es einen plötzlichen Ruck und er hatte Anderson die Schulter ausgekugelt. Die Waffe fiel in den Fußraum vor den Beifahrersitz. Anderson brüllte wie am Spieß.
    »Keine Bewegung!«, befahl Fegan. Eine plötzliche Klarheit erfasste ihn.
    Anderson krümmte sich und trat gegen das Armaturenbrett des Jaguars.
    »Ich sagte, keine Bewegung.«
    Der Cop jaulte noch einmal auf, dann drehte er sich vom Beifahrersitz aus zu Fegan um. »Verflucht, was willst du?«
    »Dich«, sagte Fegan.
    Anderson schrie noch einmal auf, als Fegan sein Handgelenk losließ und der Arm kraftlos zwischen die Sitze fiel. Er strampelte mit den Beinen, sein Kopf war inzwischen purpurrot. Wenigstens schrie er nicht mehr und atmete auch wieder ruhiger. »Es tut mir leid … das mit der Tracht Prügel. Patsy hat mir gesagt, ich soll es machen. Auf McGintys … McGintys Befehl.«
    Fegan sah zu dem RUC-Mann hoch, der sich auf die Windschutzscheibe gestützt hatte und hineinspähte. Die Innenbeleuchtung des Wagens schien blendend hell, das Licht spiegelte sich in den Schweißtropfen auf Andersons verzerrtem Gesicht und seinen zusammengebissenen Zähnen wider. Der RUC-Mann würde alles verfolgen, ebenso wie sein Sohn alles verfolgt hatte.
    »Erinnerst du dich noch an den Mann von der Royal Ulster Constabulary, den du verraten hast?«
    »Ach mein Gott…«
    »Erinnerst du dich noch?«
    Andersen schüttelte den Kopf. »Ich … ich … An welchen?«
    »Genau.« Fegan lächelte. »Du hast eine ganze Menge von denen ans Messer geliefert, nicht wahr? Wie viel hast du für jeden gekriegt?«
    Anderson machte den Mund auf und wieder zu und schüttelte den Kopf. Schweiß lief ihm in die Augen.
    Fegan trat gegen den Arm, der schlaff zwischen den Sitzen hing. Als Andersons Aufschrei verklungen war, fragte er noch einmal: »Wieviel?«
    »Es hing davon ab … wer sie waren.«
    »Wie viel gab es für einen Constable? Nur ein ganz normaler Bulle? Wie viel war so einer wert?«
    »Mein Gott, ich weiß nicht … ein paar tausend … bitte nicht…«
    »Denk mal zurück. Erinnerst du dich noch an einen von 1982? Müsste Anfang Februar gewesen sein. Es hatte geschneit. Ich habe ihn vor den Augen seines kleinen Jungen getötet.«
    Andersons Augen glitten hin und her, er keuchte nur noch. »Der an der Schule? Er erinnere mich. Ja, jetzt fällt’s mir wieder ein. Wie hieß der noch? Mein Gott, hat er geheißen?«
    »Spielt keine Rolle«, sagte Fegan. Er setzte dem Cop wieder die Walther an die Stirn. »Er will dich haben.«
    »W… was?«
    »Sieh mal.« Fegan wies mit einem Augenrollen nach draußen. »Da ist er. Er beobachtet uns. Sie beobachten uns alle.«
    »Was redest du denn da?«
    »Sieh nur.« Fegan drückte Anderson die Walther an die Wange und schob seinen Kopf zur Seite, so dass er aus dem Fenster sah. »Da steht er. Auf diesen Augenblick wartet er schon seit Jahren.«
    Anderson fing an zu heulen. »Da ist niemand.«
    »Zeit, dass du für das bezahlst, was du getan hast.«
    Der Cop drehte sich wieder zu Fegan um. Auf seinen Wangen vermischten sich Tränen mit Schweiß. »Aber du hast ihn doch umgebracht. Nicht ich.«
    Fegan blinzelte. »Ich habe nur abgedrückt. Er war schon in dem Moment tot, wo du ihn verraten hattest.«
    Anderson schüttelte den Kopf. »Du bist ja wahnsinnig.«
    »Ich weiß. Aber es wird von Tag zu Tag besser.«
    Fegan drückte ab.

FÜNF
     
    Der Gestank nach Blut, Schweiß und Alkohol waberte bis zur obersten Sitzreihe der Zuschauerränge. Der alte Mann war größer als alle anderen in der Scheune und konnte mühelos über all die erhobenen Fäuste hinwegsehen, die mit Euroscheinen und Pfundnoten wedelten. Er hatte immer den besten Sitzplatz, der zu vergeben war. Schließlich gehörte ihm der Schuppen.
    Trotz des Gebrülls der Menge hörte man von unten noch das Knurren und Bellen. Die Hunde umkreisten einander, schnappten, kläfften und fielen übereinander her. Beide waren

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