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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Klebeband. Es riss, und er fühlte, wie ihm 9-mm-Patronen durch die Finger rannen. Polternd fielen die Waffen zu Boden.
    Über das wütende Bellen und Kratzen der Hunde hinweg meinte er aus dem Haus Stimmen zu hören. Er achtete weiter auf die Fenster, während er seine Walther und anschließend Campbells Glock unter dem Sitz hervorholte. In dem Fenster über der Haustür bewegte sich eine Gardine, an der ein Schatten vorbeihuschte. Fegan warf sich nach hinten, seine Hand fand eine Waffe, und schon im nächsten Moment wurde ein Loch ins Autodach gerissen, und eine Kugel schlug genau dort in die Polsterung ein, wo eben noch sein Kopf gewesen war.
    Das Winseln und Heulen der Hunde schwoll zu neuer Lautstärke an. Fegan rauschte das Blut in den Ohren. Dennoch hörte er über das ganze Getöse hinweg ein beängstigendes Kreischen. Ein hoher, panischer Schrei.
    »Ellen«, rief er.
    »Bleib weg, Fegan!«
    McGintys Stimme, eher ein schrilles Kreischen.
    »Bleib weg, oder ich bringe alle beide um!«
    Fegan drückte sich an die Flanke des Wagens und hörte das Mädchen schreien. Das Herz schlug ihm fast aus der Brust, und ihm wurde übel.
    »Ellen.«

Fegan sah hoch zu seinen Verfolgern, die über ihm aufragten und ihn beobachteten. Auf einem Arm trug die Frau ihr Baby, den anderen streckte sie jetzt in Richtung Haus. Ihre Augen sagten ihm, befahlen ihm, es zu tun. Lauf, sagten sie.
    Lauf los.
    »O Gott.«
    Fegan steckte sich Campbells Glock in den Hosenbund und kroch an der Seite des Wagens entlang bis ganz nach vorne. Die Stalltüren schepperten in den Angeln, als die Hunde sich dagegenstürzten. Fegan warf noch einen Blick auf die oberen Fenster und stürmte dann auf das Haus zu. Ein Schuss fiel, und etwas zupfte an seiner linken Schulter.
    Er warf sich mit aller Kraft gegen die Tür und stolperte über Malloys ausgestreckte Füße. Dann prallte er gegen die gegenüberliegende Wand. Kacheln fielen überall dort herab, wo der Mörtel verrortet war. Sie zerschellten am Boden, zwischen ihren Splittern sah Fegan rote Spritzer. Sein linker Arm fühlte sich schwer an, so als hätte ihm jemand einen Stein ans Handgelenk gebunden. Nur ein Kratzer, nicht weiter schlimm.
    Er blickte sich nach Malloy um, dessen Körper bäuchlings da lag. Der Brustkorb des stämmigen Mannes hob und senkte sich in unregelmäßigen Abständen. Seine glasigen Augen starrten in die Ferne. Die Verfolger kamen herein und blieben über ihm stehen. Mit zur Seite geneigten Köpfen musterten sie ihn.
    Oben trappelten rasche Schritte über den Fußboden.
    »Gerry?« McGintys Stimme, gedämpft durch die Holzdielen und den Putz zwischen ihnen. »Gerry, komm nicht hier rauf. Ich warne dich. Mach es nicht. Ich … ich … ich … du weißt, dass ich es tue.«
    Die Frau stand neben Fegan und deutete auf die Tür, die ins nächste Zimmer führte. Dort hatte er Marie und Ellen zuletzt gesehen. Der Metzger trat neben sie.
    »In Ordnung«, sagte Fegan.
    Die Walther im Anschlag, näherte er sich der Tür. An der Wand stand immer noch die ramponierte alte Couch, durchtränkt von Feuchtigkeit und Blut. Mit sanften Fingern tastete die Morgendämmerung durch das schmutzige Fenster. Draußen konnte Fegan vor dem Waldrand den ehemaligen Garten sehen, den jahrelange Vernachlässigung hatte zuwuchern lassen.
    Was war das?
    Fegan blieb stehen und lauschte. Heftige schnelle Atemstöße, panisch. Sie kamen von jenseits der letzten Tür, derselben Tür, durch die noch vor kurzem Marie und Ellen gekommen waren. Wie lange war das jetzt her? Eine Viertelstunde? Eine halbe? Eine ganze?
    Die Frau und der Metzger postierten sich neben Fegan. Sie neigten die Köpfe zur Seite und lauschten. Der Säugling auf dem Arm seiner Mutter war ganz ruhig.
    Die Frau wandte sich zu Fegan und lächelte. Dann streckte sie die Hand aus und streichelte ihm über die Wange. Sie nickte.
    Fegan drehte sich wieder zur Tür um, hinter der alles im Dunklen lag. Die Atemstöße klangen jetzt näher und noch panischer. Leise schlich Fegan auf das Geräusch zu, die Walther zwischen ihm und seinen Verfolgern.
    Eine Treppenstufe knarrte. Das Atmen hörte auf, dann setzte es wieder ein, noch schneller als vorher. Fegan hörte, wie Stoff an der Tapete vorbeistrich. Jemand drückte sich an der Wand entlang.
    Immer näher.
    Dann das hohe, nasale Wimmern eines Mannes. Die nackte Angst.
    Fegan machte noch einen Schritt vor und passte auf, sich auf den uralten Dielen ganz vorsichtig zu bewegen. Er hatte die Walther in

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